Auge um Auge
einen gequälten Schrei aus, drehte sich um und taumelte davon. Rashid sagte mit vollkommen ruhiger Miene: »Berichten Sie mir genau, was geschehen ist.«
Dillon und Billy tranken Tee in der Cafeteria, als Ferguson hereinkam. »Wie geht es Harry?«, fragte er.
»Er wird’s überleben«, erwiderte Billy. »Belohnen Sie ihn mit dem Verdienstorden.«
Ferguson sah Dillon an. »Was zum Teufel hatten Sie eigentlich im Sinn?«
»Mir ist plötzlich klar geworden, dass wir keinerlei Gewissheit hatten. Wir haben über die Prince Regent gesprochen und über das Dorchester und alles hat sich logisch angehört, aber sicher sein konnten wir nicht. Deshalb sind Billy und Harry Michael Rashid und Bell zum Hangman’s Wharf gefolgt, wo Rashid seine Motorjacht liegen hatte. Dort ist es dann ein wenig hektisch geworden. Bell hat Harry angeschossen und ist abgehauen; ich habe den jungen Rashid über die Reling gezerrt und ertränkt.«
»Was für ein Bastard Sie doch sind, Dillon.«
»Tja, das ist der Job, den Sie mir übertragen haben. Hat das Bergungsteam ihn schon gefunden?«
»Nein, aber die Polizei. Ich habe beschlossen, die Sache so zu handhaben: ein anonymer Telefonanruf von jemandem, der mit seinem Hund am Kai spazieren gegangen ist und die Leiche im Wasser gesehen hat.«
»Und Paul Rashid?«
»Der muss inzwischen Bescheid wissen.«
»Und Bell?«
»Keine Ahnung. Ich hätte gedacht, den wären wir los. Was Rashid mit dem russischen Ministerpräsidenten vorhatte, haben Sie ja erfolgreich verhindert. Wenn Bell nur ein Fünkchen Verstand hat, dann hat er sich längst davongemacht.«
»Das ist ja interessant«, sagte Billy. »Wir hatten eine sehr aufschlussreiche Unterhaltung mit Superintendent Bernstein. Ich wusste gar nicht, dass sie Psychologie studiert hat. Laut ihrer Analyse ist Paul Rashid ein tobsüchtiger Irrer. Auf Grund der Familienehre muss er Dillon umbringen, und seine Schwester würde das wahrscheinlich auch für ihn besorgen.«
»Bell«, sagte Dillon, »ist auch irre, und wenn man es genau betrachtet, ich womöglich ebenfalls. Jedenfalls würde ich nicht darauf wetten, dass Bell die Fliege macht. Er liebt das Spiel, und wenn Rashid meint, er braucht ihn immer noch, kann eine Menge Geld für ihn drin sein.«
In der Leichenhalle von Kensington warteten Paul und Kate Rashid in einem hässlichen, grün-weiß getünchten Raum. An der Wand befand sich ein elektrischer Heizofen, durchs einzige Fenster blickte man auf einen Parkplatz. Nach einer Weile kam ein Pfleger herein. Er sah unsicher aus.
»Mr. Rashid?«
Kate kam Paul zuvor: »Mein Bruder ist der Earl of Loch Dhu.«
»Und der Verstorbene, Michael Rashid …?«
»Der ist auch mein Bruder.«
»Möchten Sie ihn sehen?«
»Ja«, sagte Paul Rashid tonlos.
»Man hat gerade eine Autopsie vorgenommen. Der Pathologe ist noch drin. Womöglich ist es nicht sehr angenehm für Sie. Ich denke an die junge Dame.«
»Das ist nett von Ihnen, aber es muss sein.«
»Es ist nur so, dass auch noch ein paar andere Herren drin sind. Ein General Ferguson und zwei weitere.«
Kate stieß einen Schrei aus, doch ihr Bruder legte ihr die Hand auf den Arm. »Das macht nichts. Wir kennen uns.«
Sie wurden in einen Operationssaal geführt: weiße Tünche, viel rostfreier Stahl. Der forensische Pathologe stand mit Ferguson, Dillon und Blake zusammen; der Pfleger ging zu ihm und flüsterte ihm etwas zu. Der Pathologe drehte sich um.
»Lord Loch Dhu, mein aufrichtiges Beileid.«
»Ferguson«, sagte Rashid, »wären Sie wohl so freundlich, draußen zu warten. Ich würde mich gern mit dem Herrn hier unterhalten.«
»Selbstverständlich«, erwiderte Ferguson sehr förmlich, ganz wie ein echtes Mitglied der britischen Oberschicht.
Er ging mit Dillon und Blake hinaus. Kate trat zum Operationstisch, auf dem der nackte Michael Rashid lag. Sein Körper war mit groben Stichen vernäht; rund um den Schädel führte eine Linie.
»War das notwendig?«
»Ihr Bruder ist zwar ertrunken, nachdem er über die Reling seines Boots gefallen war, aber der Untersuchungsrichter hat eine vollständige Autopsie verlangt. So etwas ist unumgänglich. Als Todesursache habe ich Ertrinken festgestellt und nach Paragraf drei des entsprechenden Gesetzes kann ich Ihnen eine Bescheinigung über die Freigabe des Leichnams ausstellen. Eine Gerichtsverhandlung ist nicht vonnöten.«
»Das ist ausgesprochen freundlich von Ihnen«, sagte Paul
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