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Auge um Auge - Ein Verehrer schuettete mir Saeure ins Gesicht Jetzt liegt sein Schicksal in meiner Hand

Titel: Auge um Auge - Ein Verehrer schuettete mir Saeure ins Gesicht Jetzt liegt sein Schicksal in meiner Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ameneh Bahrami
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meist in der Notfall- und Intensivmedizin …«
    Es war absolut still im Hörsaal, alle schienen echtes Interesse an meinem Vortrag zu haben. Bald stießen sogar ein paar Kommilitonen aus anderen Veranstaltungen dazu, und ich spürte, wie viel Spaß ich daran hatte, dem Plenum »unseren Lebensretter« ausführlich zu erklären. Nach einer knappen Stunde war meine Präsentation beendet, die Kommilitonen klatschten Beifall und stellten etliche Fragen. Jemand wollte sogar wissen, ob ich aus meinem eigenen Unternehmen berichtet hatte. Nein, aber die Firma war mir ja fast zur zweiten Familie geworden.
    Als es schließlich an die Benotung ging – der Dozent bat die Studenten um Vorschläge –, waren sich alle einig: zwanzig Punkte. Der Dozent aber schien anderer Meinung. Ich bekam nur 14 Punkte. Die Kommilitonen protestierten, doch er ließ sich nicht umstimmen. Für mich brach eine kleine Welt zusammen, und ich war auch Tage nach dieser strengen Entscheidung noch zutiefst verletzt. Irgendwann fasste ich mir schließlich ein Herz und ging in seine Sprechstunde.
    »Ich wusste, Sie würden sich eines Tages hier sehen lassen, Frau Bahrami«, sagte er und hielt inne. Mich verwunderte sein Blick. Dann fuhr er fort: »Mir war klar, dass Sie irgendwann vorbeikommen würden, um sich zu beschweren.«
    Ich verstand noch immer nicht genau, was sich hier abspielte, aber mein Misstrauen war geweckt. Ich denke, ich konnte damals schon ahnen, was noch kommen würde.
    »Ihre Präsentation hat mich durchaus beeindruckt, Frau Bahrami.« Er hielt kurz inne. »Verzeihen Sie, darf ich fragen, sind Sie verheiratet?«
    Meine innere Stimme hatte mich also nicht getäuscht. Hier ging es nicht um akademische Grundfragen, es ging um mich als Frau …
    »Nein, bin ich nicht«, entgegnete ich kurz angebunden und hörbar verärgert.
    »Und wenn jemand wie ich Sie fragen würde, ob Sie seine Frau werden wollen, was würden Sie ihm antworten?« So schnell ging das also. Eine gute Präsentation in der Universität, und schon war der Heiratsmarkt eröffnet. Eine interessante Wendung allemal. Mir kam die Frage meiner Mutter in den Sinn: »Ameneh, warum läufst du vor der Ehe weg?« Tat ich das denn wirklich, oder gab ich mir nur die gerechte Chance, den richtigen Mann fürs Leben zu finden? Hier stand ein Mann vor mir, den ich nicht im Geringsten kannte. Er hatte eine akademische Ausbildung und eine respektable Position – mehr wusste ich nicht über ihn. Und das sollte genügen, um den sogenannten Bund fürs Leben zu schließen?
    Der Mann war mir ja nicht einmal unsympathisch – so ehrlich muss ich schon sein –, aber als meinen Ehemann konnte ich ihn mir beileibe nicht vorstellen. Zu einer Beziehung gehörte doch ein wenig mehr an Basis als nur die Tatsache, dass er mein Lehrer und ich seine Studentin war. Er kannte mich nicht und ich ihn auch nicht. Und auch wenn es in unserer Kultur üblich war, dass junge Menschen ungefragt verheiratet werden konnten, wollte ich diesen Weg mit Sicherheit nicht gehen. Hier stand mir ein gebildeter, vermeintlich aufgeklärter Mann gegenüber. Auf dem Land war es durchaus üblich, dass junge Menschen ungefragt verheiratet wurden. Seit der islamischen Revolution wurde das Mindestalter für heiratsfähige Mädchen von neun auf dreizehn Jahre hochgesetzt, was fast schon als Fortschritt bezeichnet werden durfte. Wir standen hier aber nicht in einer Lehmhütte, sondern in den Räumen der Freien Universität von Teheran …
    »Darf ich um Bedenkzeit bitten?«, fragte ich, um ihn nicht zu brüskieren. Er nickte und ließ mich ziehen. Eine Antwort bekam er natürlich nicht von mir, aber auch das war letztlich eine Antwort.
    »Ameneh, wovor läufst du davon?« – die Frage meiner Mutter. Ich lief vor nichts davon – ich wollte nur einfach aus Liebe heiraten und nicht, um andere Leute zufriedenzustellen. Einen anderen Grund gab es nicht, doch der wog in unserer Gesellschaft ja schon schwer genug.
    Inzwischen hatte mein guter Freund Farzan geheiratet, und ich musste infolgedessen den Kontakt zu ihm abbrechen. Es wäre viel zu kompliziert geworden, unsere Freundschaft fortzusetzen. Ich hätte nicht mal eben anrufen oder kurz zum Tee bei ihm vorbeischauen und so ungezwungen mit ihm plaudern können wie früher. Der Ruf aller Beteiligten wäre auf der Stelle ruiniert gewesen.
    So rückt eben wieder deine Karriere in den Vordergrund, dachte ich. Dein Finanzpolster wird bald aufgebraucht sein. Such dir neue Arbeit, das bringt dich

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