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Auge um Auge - Ein Verehrer schuettete mir Saeure ins Gesicht Jetzt liegt sein Schicksal in meiner Hand

Titel: Auge um Auge - Ein Verehrer schuettete mir Saeure ins Gesicht Jetzt liegt sein Schicksal in meiner Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ameneh Bahrami
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nicht vertrug? Sie war zwischenzeitlich wieder im Iran, und jedes Mal, wenn meine Mutter mich anrief, flehte sie mich an: »Rauft euch doch zusammen, ihr beiden!«
    Ich bekam starke Schmerzmittel und musste ein paar Tage in der Klinik bleiben. In meine verseuchte Wohnung wollte man mich vorerst nicht zurückschicken. Nach dieser Tortur fühlte ich mich um Jahre gealtert und schwebte – geistesabwesend – irgendwo zwischen Himmel und Hölle.
    Nachdem ich in meine Wohnung zurückkehren durfte, löschte ich sämtliche Nachrichten auf meinem Anrufbeantworter und wollte für eine geraume Zeit nicht mehr erreichbar sein. Die meisten Leute wollten ohnehin nur wissen, warum ich meiner Schwester egoistisch die Tür gewiesen hatte.
    An manchen Tagen war ich dermaßen schwach, dass ich mir nicht mal ein Glas Wasser aus dem Kühlschrank holen konnte. »Gütiger Gott, warum schickst du mir nicht jemanden, der mir beisteht, wenn es mir so dreckig geht?«
    Der Allmächtige sandte mir stattdessen einen Traum, in dem ich Grabsteine aussuchen sollte, die ich sämtlich für zu klein befand. Wieder erwacht, fand ich dafür nur eine Erklärung. Der Traum sollte mir wohl bedeuten, dass ich nicht so unbescheiden sein sollte und zufrieden sein müsste, hier in Spanien behandelt zu werden. Barcelona, diese bunte, farbenfrohe, herzenswarme Stadt, stand doch deutlich über meinem geliebten, dunstgrauen, hektischen, im Winter eiskalten, im Sommer kochenden Moloch Teheran. Hatte Dr. Palao nicht gesagt: »Sie haben ein Recht auf ein freies Leben! Also machen Sie auch etwas daraus, Ameneh! Nehmen Sie sich all das zum Vorbild, was Sie in der Vergangenheit schon geschafft haben. Denken Sie an den großen Omar Khayyam und seinen Rat, sich nicht allzu sehr auf die Zukunft zu konzentrieren, die man nicht kennt. Lernen Sie aus der Vergangenheit, und führen Sie Ihr nicht ganz normales Leben! Ergreifen Sie Ihre Chancen, solange Sie jung sind, Ameneh. Wie lange wollen Sie noch auf Augenlicht hoffen, dass vielleicht nie ganz zurückkehren wird? Wenn Sie tatsächlich blind werden, sollten Sie wenigstens sagen können: Ich hab alles versucht, es zu verhindern!«
    Eines Tages rief Dr. Saburi an. Er war der Begründer einer Hilfsorganisation in New York und durch die Medien auf meinen Fall aufmerksam geworden. Dr. Saburi wollte einen Film über mich drehen, um mir zu helfen, Spendengelder zu sammeln. Sein Anliegen erinnerte mich sofort an eine iranische Organisation, die ständig aktuelle Fotos von mir forderte, um Spendenaktionen zu organisieren. Der einzige Betrag, den sie je überwiesen hatte, lag – wie man mir zutrug – weit unter dem, was die regelmäßigen Fotoreportagen allem Anschein nach tatsächlich erbrachten.
    Auch eine hiesige Frauengruppe fiel mir ein, die bedauert hatte, mir als Iranerin nicht helfen zu können … Als Iranerin! Entsprechend skeptisch stand ich Dr. Saburis Projekt gegenüber. Er ist eh nur hinter der Story her und an meiner Gesundheit gar nicht wirklich interessiert, dachte ich mir. Doch er zerstreute meine Bedenken, weil er tatsächlich regelmäßig Kontakt mit mir hielt und mir bald der Vertraute wurde, den ich von Gott erbeten hatte. Ja, Gott hat dir vieles genommen. Doch er beschenkt dich auch dann und wann, sagte ich zu mir selbst und musste schmunzeln, weil er das meist so rechtzeitig tat, dass ich ihm nie lange zürnen mochte.
    Mit Dr. Saburi, der Amir mit Vornamen hieß – was bestimmt kein Zufall war –, konnte ich stundenlang über Gott und die Welt reden, über seine spannenden Dokumentationen über berühmte iranische Dichter, Schriftsteller, Künstler und über alles, was ich auf dem Herzen hatte. Unermüdlich, optimistisch, besonnen und voller Humor half er mir, das Beste aus meiner Situation zu machen und nicht zu vergessen: Auch wenn manches nicht so lief, wie ich es gerne gehabt hätte – ich durfte nicht gering schätzen, welche Chancen mir Barcelona bot. Und wenn gar keine Aufheiterung mehr wirkte, führte er das Beispiel Kleidung an: »In Barcelona darfst du wenigstens anziehen, was du willst. In Teheran riskierst du eine Gefängnis- oder Geldstrafe für zu enge Mäntel, zu kurze lange Hosen, für Kopfbedeckungen, die nicht eng genug anliegen, oder für gewagte Frisuren.«
    Der Tag, an dem ich aus der Sozialwohnung ausziehen musste, kam schließlich doch. Ich hatte darauf bestanden, dass das Sozialamt mir eine neue Bleibe suchte, und wir – Schirin zurück in ihrer Rolle als meine Begleiterin –

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