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Auge um Auge - Ein Verehrer schuettete mir Saeure ins Gesicht Jetzt liegt sein Schicksal in meiner Hand

Titel: Auge um Auge - Ein Verehrer schuettete mir Saeure ins Gesicht Jetzt liegt sein Schicksal in meiner Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ameneh Bahrami
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sondern für alle Frauen. Für die vielen Eltern, die sich um ihre Töchter sorgen.«
    Die Meinung meiner Kritiker konnte mich nie von meinem Weg abbringen. Wer nicht durchlitten hat, was mir widerfahren war, sollte den Stab nicht voreilig über mir brechen. Wollten sich all jene, die mir vehement widersprachen, nur einmal ganz kurz in meine Lage versetzen? Sich dann daran erinnern, wie sie sich das letzte Mal beim Kochen oder beim Bügeln verbrannt haben? Und sich dann vorstellen, diesen Schmerz in tausendfacher Stärke in seinen Augen zu spüren?
    Wollen diese Leute sich weiterhin vorstellen, wie es sich anfühlen würde, blind zu sein? Im Dunkeln den Tag zu verbringen, die Nacht und den nächsten Tag, den übernächsten, die nächsten Wochen, Monate – Jahre? Manche meiner Kritiker waren wohl auch um das internationale Ansehen des Iran besorgt. Eine Sprecherin von Schirin Ebadi, der iranischen Friedensnobelpreisträgerin, rief mich an und bat mich, aus Gründen der Menschlichkeit von der Vollstreckung des Vergeltungsurteils abzusehen. Nur wenig später wollte sie wissen, ob sie meine Geschichte aufschreiben dürfe. »Nein«, sagte ich, »das mache ich schon selbst.« Humanitär im Denken, aber geschäftstüchtig im Handeln, dachte ich damals nur.
    Was war denn nun unmenschlich? Dieser Kerl, der Attentäter, dem bisher nicht ein einziges Haar gekrümmt worden war und der sich im Gefängnis mit seiner Heldentat brüsten konnte? Wie stand es um die Tatsache, dass ich seit Jahren schon um Geld für Operationen betteln musste, die mir zumindest die Spur eines – wenn auch blinden – menschlichen Angesichts zurückgeben sollten? Abgesehen von einer überschaubaren Summe, die mir die Regierung Khatami gewährt hatte, halfen mir nur wenige private Spender. Die meisten Einrichtungen, die ich um Hilfe bat, wollten sich aus unterschiedlichsten Gründen nicht für mich engagieren. Am Ende blieb mir das spanische Sozialamt, das ja nun am allerwenigsten Verantwortung für mich hätte tragen müssen.
    Können Frauen in Ländern, in denen – zumindest auf dem Papier – Gleichberechtigung herrscht, überhaupt ermessen, was wir durchmachen, in Ländern, in denen allein die Männer das Sagen haben? War nicht gar unsere Gesellschaft unmenschlich, in der Männer sich das Recht nahmen, Frauen zu verstümmeln? Welches Männerbild propagierte eine Gesellschaft wie die unsere? Welchen Druck lud sie Männern auf, die durch die Ablehnung einer Frau ihren Stolz verletzt sahen und diese sogenannte Schmach tilgen mussten? Welche Rolle gedenkt diese Welt den Frauen heute und künftig zu? Darf eine Frau selbst bestimmen, wen sie heiraten, welchen Beruf sie ergreifen oder wie sie sich kleiden mag? Oder soll sie dem Mann auf ewig unterworfen sein, um jeden Preis? Ich stand jedenfalls an jenem 30. November wieder vor Gericht, weil ich für ein Menschenrecht eintreten wollte: das Recht auf Unversehrtheit, auf körperliche und seelische Unversehrtheit, und das Recht auf Selbstbestimmung.
    Und dann kam er, der Angeklagte, von Justizbeamten in den Saal geführt, vorbei an seiner Familie. Zu meiner Überraschung herrschte er plötzlich seine Schwester an, die rote Schuhe trug, wie mir später erzählt wurde: »Was willst du denn hier? Noch dazu in dem Aufzug!«
    Inzwischen war es unruhig im Saal. Man bat alle nach draußen, die nicht direkt mit dem Prozess zu tun hatten, um jeglichen Aufruhr zu vermeiden. Alle Prozessbesucher, auch mein Vater, wurden kontrolliert, durchsucht, um auch wirklich jedes Risiko auszuschließen.
    Wir nahmen unsere Plätze ein. Ich saß in der ersten Reihe links außen, mein Vater und mein Onkel direkt hinter mir, und mein Peiniger saß ebenfalls in der ersten Reihe, ganz rechts außen. Es wurde still. Richter und Beisitzer betraten den Saal, man rief mich in den Zeugenstand und stellte mir unzählige Fragen: »Wie haben Sie Herrn Mowahedi kennengelernt? Welche Art Gespräche führten Sie mit ihm? Welcher Umgangston herrschte zwischen Ihnen? Was empfanden Sie für Herrn Mowahedi? Hatten Sie nicht doch eine Beziehung mit ihm? Liebten Sie ihn? Wie kam es zu der Tat?«
    Auch wenn die Richter es gerne so gesehen hätten – es gab keine Beziehung. Zwischen Madschid und mir lagen Welten. Da war keine Beziehung möglich. Ich beantwortete alle Fragen nach bestem Wissen und Gewissen und bat den Vorsitzenden Richter Azizmohammadi irgendwann: »Stellen Sie sich vor, Ihrer Tochter passiert, was mir passiert ist. Was machen Sie

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