Auge um Auge (German Edition)
mussten Drinks supersüß sein, sonst würde ich sie stehen lassen. Sobald unsere Becher leer waren, waren die Typen sofort zur Stelle und gossen nach.
Bald hatten wir vier so viel Spaß, dass ich nicht mehr auf die Uhr schaute und auch nicht mehr an die andere Party dachte, von der wir einfach weggegangen waren. Ich weiß noch, dass ich über alles lachen musste, was der größere der beiden Typen – also meiner – sagte, obwohl eigentlich nichts so besonders witzig war. Daran sieht man vermutlich, wie betrunken ich war.
Mike. So hieß er.
···
Gegen elf klopfe ich an Nadias Tür. Sie antwortet nicht, doch ich höre, dass ihr Fernseher läuft.
Durch die geschlossene Tür sage ich: »Ich versuche nur, auf dich aufzupassen, Nadia. Das ist meine Aufgabe.«
Ich warte ein paar Sekunden, doch sie antwortet nicht. Wenn Nadia sauer ist, kann sie sehr nachtragend sein, und es ist alles andere als einfach, sie wieder umzustimmen. Ich hasse es, wenn Nadia sauer auf mich ist. Ich hasse es mehr als alles andere. Aber ich habe auch einen Grund, sauer zu sein.
Ich lehne den Kopf an ihre Tür. »Lass uns morgen früh zusammen zur Schule fahren, ja? Nur du und ich. Mit meinem Auto. Wenn wir früh genug loskommen, können wir noch bei Milky Morning anhalten und uns Blaubeermuffins holen, ganz frisch aus dem Ofen. So magst du sie doch so gern.«
Immer noch nichts von Nadia.
Seufzend gehe ich zurück in mein Zimmer.
09 KAT Dad, Pat und ich sitzen im Wohnzimmer, essen Chili con Carne und sehen irgend so eine Motocross-Show im Fernsehen. Seit drei Tagen gibt es bei uns jeden Tag das Gleiche. Wenn Dad sein höllisch scharfes Chili kocht, essen wir mindestens eine Woche davon. Es steht mir bis obenhin.
Ich stehe auf, und sofort fängt Pat an: »Heute bist du mit dem Abwasch dran. Ich hab’s gestern gemacht.«
»Gestern gab’s gar nichts abzuwaschen, da haben wir doch von Plastikgeschirr gegessen.«
Pat wendet sich wieder dem Fernsehen zu. Mit den Füßen krault er Shep den Rücken. »Eben, und das musste ich in den Müll werfen. Also bist du ja wohl heute dran.«
Ich zeige ihm den Finger, dann stelle ich mein Geschirr ins Spülbecken und lasse es dort stehen.
Pat ist so stinkend faul. Seit er vor zwei Jahren mit der High School fertig war, ist er immer zu Hause. Er hat zwar irgendwelche Kurse am Community College belegt, aber meist hängt er bloß rum.
In meinem Zimmer checke ich erst mal mein Handy. Keine entgangenen Anrufe, keine SMS von Alex. Nichts. Ich hätte wirklich gern mit ihm geredet, über seine Freundin Rennie, die absolut seelenlos ist und den Klumpen Schleim im Gesicht echt verdient hat. Aber ich rufe ihn nicht an, schließlich hat er gesagt, er meldet sich.
Stattdessen versuche ich’s bei Kim im Plattenladen. Als sie drangeht, kann ich sie kaum hören, so laut ist es im Hintergrund.
»Was ist denn bei euch los?«, frage ich.
»Eine Party für eine total lahme Band von einem Indie-Label.«
»Kann ich vorbeikommen? Ich hatte einen grausamen Tag. Ich hasse meine Schule, ich hasse Rennie Holtz, ich –«
»Schon gut, schon gut«, sagt sie, und schon schnappe ich mir meine Reisetasche und schmeiße auf gut Glück ein paar Klamotten rein. Morgen ist Schule – na und? Ich nehme morgen früh gleich die erste Fähre zurück. Oder mache blau.
Gerade als ich mich bei Kim bedanken will, legt sie die Hand auf die Muschel und sagt: »Im Keller ist noch eine Flasche Whiskey. Geh und hol sie.« Mir wird klar, dass sie gar nicht mich gemeint hat.»Kim? Bitte!« Ich weiß, dass ich mich weinerlich anhöre, aber das ist mir egal. Ich muss einfach runter von der Insel.
Sie seufzt. »Süße, ich bin heute Nacht garantiert nicht vor zwei fertig. Ruf mich morgen an, wenn du aus der Schule kommst, okay?«
»Klar, wie du meinst.« Ich hab’s kapiert, Kim hat eine Menge um die Ohren. Sie ist dreiundzwanzig und hat mit diesem ganzen High-School-Scheiß vermutlich nichts mehr am Hut.
Aber ich brauche sie wirklich. Irgendeinen Menschen brauche ich jetzt. Wenn ich darüber nachdenke, was heute passiert ist, dann komme ich selbst kaum damit klar.
So ein verdammter Mist – ich hab Rennie mitten ins Gesicht gespuckt! Das war ja wohl total assi! Du lieber Himmel, was wird Mom jetzt von mir denken?Dad macht sich sowieso schon immer Sorgen, dass bei seiner Erziehung meine Weiblichkeit auf der Strecke bleibt und Mom enttäuscht sein könnte, wenn sie von oben zu uns runterguckt. Sie war eine wirkliche Lady, die Sanftheit
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