Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Augen für den Fuchs

Titel: Augen für den Fuchs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henner Kotte
Vom Netzwerk:
Fünkchen.«
    »Papa hat gesagt, dass die Welt im Inneren aus Hitze besteht. Manchmal kommt’s raus. Das sind dann Vulkane.«
    »Und du meinst, so einen Vulkan haben wir dann in unserem Garten?«
    »Wäre doch schön. Wir müssen nur tief genug graben.«
    Einer der Naturforscher hatte Zweifel, stemmte die Hände in die Hüfte und schüttelte den Kopf.
    »Ganz unten ist Feuer, hat mein Vater gesagt.« Der kleine hub mit seinem Schäufelchen in das Loch.
    »So tief? Wenn da was passiert? Meine Eltern haben bestimmt was dagegen. Haben die immer.«
    Auch der mit dem Schäufelchen erhob sich. Ungläubig starrten die Knaben hinein in ihre Grube und spürten weder Hitze noch Feuer. Beetz lief lächelnd vorbei. Auch sie hatte als Kind gern im Schlamm Burgen und Kanäle gegraben.
    »Noch ein bisschen.« Der, der es wusste, gab das Kommando. »Los. Irgendwann wird das Feuer schon kommen. Ganz sicher. Kann nicht mehr weit sein. Paar Meter, und dann haben wir unseren eignen Vulkan. Überlegt mal …«
    Die Freunde überlegten und beschlossen, noch einen Meter zu graben.
    »Das ist doch voll Fantasie, einen Vulkan im eigenen Garten. Der nimmt uns hopp, aber gewaltig.«
    Beetz schmunzelte. Die Erkenntnis der Weltzusammenhänge stand diesen Kids noch bevor. Auch wenn sie sich ihre Kindergartenzeit nicht zurückwünschte, schön war es doch gewesen. Bummi, Bummi, Bummi, Bummi, brumm, brumm, brumm. Sie sah sich mit Caroline Frederetzki Faules Ei spielen. Tibor Grundmann war beim Spaziergang in das Elsterflutbecken gefallen. Und mit der Parkeisenbahn fuhren sie nur einmal im Jahr. Fräulein Rauhen war die beste Kindergartentante der Welt und hatte Franziskas Hamster Fressbacke getauft. Mutti sagte Mulchen zu ihm. Bummi, Bummi. Sie würde das Lied jetzt bis zum Abend durchsingen, wenn sie ihre Gedanken nicht ablenken konnte, sie musste sich konzentrieren.
    Anita Demand wohnte in einer Wohnsiedlung der zwanziger Jahre. Damals hatten Architekten noch nicht in zehn Etagen und ganzen Stadtvierteln gedacht. Die dreigeschossigen Häuser standen durch Hausgärten und die Bleiche getrennt. Keiner blickte den Nachbarn aufdringlich ins Zimmer oder auf den Balkon. Blumen blühten und Obstbäume. Eine ältere Frau häckelte und zupfte Unkraut. Eine Mutter rief nach ihrem Kind. Eine Idylle, die Franziska Beetz mit ihrer derzeitigen Wohnlage nicht vergleichen wollte. Bummi, Bummi. Die Knaben rätselten noch, wann das Feuer wohl käme und griffen wieder nach ihren Schaufeln. Ihr Entdeckerdrang war größer als alle Zweifel.
    Hausnummer 11 stand an einem Durchgang zur Straße. Franziska Beetz suchte am Klingelschild nach dem Namen und entschied sich, erst an der Wohnungstür zu läuten. Der Ton hallte zweimal. Hinter der Tür hörte sie Kindergeschrei. Als sie geöffnet wurde, drängelten sich ein Junge und ein Mädchen um den ersten Blick auf den neuen Besuch. Erstaunt blickten sie zu ihr auf. Acht Jahre die beiden, maximal zehn.
    »Ich habe gewonnen«, stellte der Knabe sachlich fest.
    »Und wer hat die Klinke gedrückt?«, sagte das Mädchen und schob sich vor ihren Freund oder Bruder.
    Die beiden waren festlich gekleidet. Der Junge trug Fliege. Der Kleinen hatte man Blüten ins goldlockige Haar gebunden.
    »Frag Mutti, ich war der Erste!«
    »Nein. Ich!«
    Sie gingen mit den Fäusten aufeinander los. Er griff ihr in die Haare, sie ließ seine Fliege schnipsen. Gleich würde einer anfangen zu weinen.
    »Ist eure Mutti zu Hause?« Beetz’ Frage beendete den Kampf.
    Die Kinder ließen von einander ab. Der Junge sagte abschätzig, wie es eigentlich nur Erwachsene konnten: »Die sitzen alle drin beim Kaffee. Hat Oma dich auch eingeladen?«
    »Nein.«
    Die beiden rissen die Tür noch weiter auf und zeigten mit ihren Händen ins Innere. Ein Flur mit weinrotem Teppich, Schuhschrank und rundem Spiegel war zu sehen. Beetz erkannte mehrere Zimmertüren und vermutete mindestens vier Wohnräume dahinter. Lachen war zu hören und Geschirrklappern. Eine Frau Mitte dreißig kam zu den Kindern in den Flur.
    »Wie kann ich helfen?«, fragte sie.
    »Anita Demand?«
    »Ja.«
    Auch ihre Kleidung ließ nicht auf einen normalen Sonntag schließen. Feine Bluse, halblanger Rock. Um den Hals eine Kette mit einem großen Bernsteintropfen, wahrscheinlich ein Erbstück. Die Haare waren sehr akkurat in Frisur gesprayt. Beetz roch Parfüm, Fresienduft.
    »Franziska Beetz. Ich komme von der Kriminalpolizei und müsste mit Ihnen sprechen.«
    »Echt? Kriminalpolizei?«
    Der

Weitere Kostenlose Bücher