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Augenblick der Ewigkeit - Roman

Titel: Augenblick der Ewigkeit - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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teilen kann– außer auf dem Papier. Ich will alles über ihn wissen! Schreib mir und gib mir Gewißheit, ob Du ihn schon geküßt hast. Ich schicke Dir eine Fotografie von mir, die Du damals in der Bibliothek von mir gemacht hast. Zeige sie ihm, auch wenn er fast blind ist, und sag ihm, daß ich nichts mehr hasse als unbegründete Eifersucht…‹
    » …es ist nicht so, wie Du denkst. Er weiß ja so gut wie nichts von meinen Gefühlen, weder für ihn noch für Dich. Wie soll er denn da eifersüchtig sein? Genausowenig, wie Du eifersüchtig auf ihn sein mußt, mein Fränzchen. Was willst Du über ihn wissen? Alles, was ich Dir sagen kann, ist: Das Leben ist in seiner Gegenwart plötzlich so wundervoll geworden! Er bringt mir bei, was Platon, Sokrates und Aristoteles gelehrt haben. Wir lesen Kant, Schopenhauer und Nietzsches › Die Geburt der Tragödie aus dem Geist der Musik‹, ein wunderbarer Text, den ich auch Dir ans Herz legen möchte. Er öffnet mir die Augen, sowohl für das Schöne im Leben als auch für die Machtgier und das Böse im Menschen. Wir verbringen nach dem Unterricht oft Stunden miteinander und spielen vierhändige Schubertsonaten. Aber was das Schönste ist, er hat mir den Zugang zu Gustav Mahler eröffnet. Ich kann Dir gar nicht sagen, mit welcher Begeisterung ich seitdem seine Musik studiere. Ich kaufe alle seine Sachen auf Kredit, ich hätte sie sonst gestohlen! Wolltest Du mir etwas schenken, ich wünschte mir nur Klavierauszüge seiner Symphonien.«
    Ihre Antwort auf seinen Brief kam postwendend und klang wie ein Hilfeschrei. Sie war tatsächlich eifersüchtig.
    » …und alle Schallplatten der Welt dazu, die ich von ihm in Wien für Dich auftreiben kann, mein Liebster, wenn Du mir nur weiterhin gestattest, an Deinem neuen und so aufregenden Leben teilnehmen zu dürfen. Heute morgen, als ich aufwachte mit Deiner Mozartpuppe auf meinem Nachttisch, mußte ich daran denken, wie Du mich als kleines Mädchen in die Werkstatt Deines Vaters geführt hast, um mich dort in Deine geheimnisvolle Theaterwelt einzuweihen. Seit jener Zeit habe ich die Gewißheit, ein Teil von Dir zu sein, so wie Du ein Teil von mir geworden bist. Aber jetzt, nach Deinem letzten Brief, habe ich das Gefühl, ich könnte aus Deinem Leben herausfallen, und ich habe eine solche Angst, Dich zu verlieren, daß ich fast zum Bahnhof gerannt wäre, um mir eine Fahrkarte nach Prag zu kaufen. Aber dann dachte ich, Du könntest mich auslachen. Ich bin noch ganz verstört und weiß nicht, was Du von meinem Vorschlag hältst, Dich wiederzusehen. Sind wir uns in all den Jahren der Trennung nur deshalb viel nähergekommen und vertrauter miteinander geworden, weil wir uns nicht tagaus, tagein gesehen haben? Würde das alles zerstört werden, wenn wir uns plötzlich gegenüberstünden? Oder– ich wage nicht, daran zu denken– würde Dich ein solches Wiedersehen vor Deinem neuen Freund in Verlegenheit bringen? Ist das denn alles Unsinn, was ich schreibe? So antworte mir doch, mein Liebster…«
    Aber auf den Hilferuf reagierte er nicht, sondern versuchte ihrer Frage auszuweichen und berichtete von Belanglosigkeiten, daß das Künstlerleben an der Seite seiner neuen Freunde doch ziemlich kostspielig geworden sei und seine finanziellen Mittel bei weitem nicht ausreichten. Um sein Taschengeld ein wenig aufzubessern, hatte er eine recht zweifelhafte Anstellung angenommen, die ihm Pawel Sixta vermittelt hatte und von der keiner außer Franziska etwas wissen durfte– Stummfilme auf einem Klavier zu begleiten.
    Als er den blinden Freund spät am gestrigen Abend nach Hause gebrachte hatte, hatte dieser seine Hand genommen, und sie stapften schweigend durch den Schnee. An der Art, wie Pawel sie drückte, spürte er, als er den Händedruck erwiderte, die tiefe Zuneigung des älteren Freundes, und ein ähnliches Triumph- und Glücksgefühl durchrieselte ihn wie damals, als der Hofrat ihn aus der Kadettenanstalt geholt hatte.
    Sie überquerten den Teufelsbach und kamen beim Nostitz-Palais auf die Kampa-Insel. Durch die kahlen Äste der Büsche und Akazienbäume blinkten Lichter, die wie Funken durcheinander stoben. Schon von weitem hörten sie das Lachen der Schlittschuhläufer. Junge Burschen und Mädchen mit Fackeln in den Händen jagten über das Eis, das sich aus dem gefrorenen Moldau-Hochwasser auf dem ovalen Platz gebildet hatte. Aus einem Grammophon dröhnte eine rauhe Schlagerstimme, frech und ordinär. Es war einer jener Gassenhauer, die

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