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Augenblick der Ewigkeit - Roman

Titel: Augenblick der Ewigkeit - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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nicht einmal das Wasser reichen…«
    » …das Wasser nicht, aber die Schnapsflasche vielleicht!«
    Der Sänger schien wieder halbwegs nüchtern zu sein. Mit aufgestelltem Mantelkragen und einem Taschentuch vor dem Mund stürmte er aus dem Bühneneingang, drückte Hände und verteilte ein paar Autogramme. Bevor er in seine Droschke stieg, drehte er sich noch einmal um und deutete mit bühnenreifer Geste auf Karl. » Da steht er, unser Toscanini! Wie er sich räuspert, wie er spuckt, das hat er ihm alles abgeguckt!«
    Dann rauschte er ab. Sein würdeloses Betragen hatte Franziska so empört, daß sie ihre selbstauferlegte Zurückhaltung vergaß und aus dem Schatten der Backsteinwand treten wollte. Da sah sie, wie sich der Portier vor einem älteren Herrn verbeugte. » Dob r ´ y ve c ˇ er pán ˇ reditel, na shledanou– habe die Ehre!«
    Der tschechische Intendant blieb in der Bühnenpforte stehen, streifte sich die Handschuhe über und schüttelte den Kopf. » Daß ihr N ˇ emce immer streiten müßt!«
    » Der Abend war aber auch unter aller Kritik, Herr Direktor.«
    » Pr á v ˇ e naopak– ganz im Gegenteil, Herzog…« Der Intendant setzte sich den Zylinderhut auf den Kopf. » …der Abend war doch ein Erfolg.« Beschwingt klopfte er ihm auf die Schulter. » Geniální, dieser Maier-Schott – Lolo, Dodo, Joujou, Clocio, Margo, Froufrou – darauf können Sie doch stolz sein!«
    » D e ˇ kuji pán generálni ˇ reditel– vielen Dank Herr Direktor. Doch darf ich Sie daran erinnern– was geschieht mit meiner Eingabe?«
    »Lituji velice ž e – ich bedaure sehr. Wie gesagt, Herzog, ich kann Ihnen nicht helfen. Ich sehe mich außerstande, Ihnen für Ihre ›Zauberflöte‹ im Redoutentheater auch nur einen einzigen meiner Musiker zur Verfügung zu stellen, solange wir hier für die ›Totenhaus‹-Premiere proben.«
    » Aber Mozart verlangt ein Vierzigmannorchester!«
    » Tut mir leid! Das haben die deutschen Intendanten früher mit uns Tschechen auch nicht anders gehandhabt. Schreiben Sie die Partitur um, so wie wir das auch machen mußten. Fehlende Instrumente wurden durch das Harmonium ersetzt.«
    » Herr Direktor, Ihr Vorgänger Franti s ˇ ek Neumann, hatte mir seine Unterstützung zugesagt…«
    » Franti s ˇ ek Neumann ist tot. Meine Entscheidung ist gefallen. Bis auf die beiden deutschen Tage habt ihr N ˇ emce an unserem Nationaltheater nichts verloren. Sehen Sie zu, wie Sie damit fertigwerden! Es gibt ja auch noch andere Musiker in der Stadt.«
    » Und wer soll die bezahlen?«
    » Fragen Sie das doch ihren Direktor Demetz. Die › Zauberflöte‹ in der Redoute, das ist seine Sache! Je mi líto. Dob r ´ y vecer –« Damit ließ er ihn stehen.
    Karl steckte die Hände in die Taschen. Ein Windstoß ließ die Hängelampe über der Rampe schaukeln, und ein Lichtstrahl streifte sein wütendes Gesicht.
    » Karel…« Sie flüsterte, als wollte sie vermeiden, gehört zu werden. Karl fuhr herum. Er starrte in die Dunkelheit, bis Franziska sich aus dem Schatten der Backsteinwand löste und das Licht der Hängelampe auf sie fiel.
    » Fränzchen, du– warum hast du nicht geschrieben, daß du kommst? Nie hätte ich dir erlaubt, diese Vorstellung zu besuchen!«
    » Ich wollte dich doch überraschen, Karel.«
    Er breitete die Arme aus. Ein Lächeln ging über ihr Gesicht, und Franziska flog ihm in die Arme.
    Aus der Kaserne am Alten Friedhof störte das Gegröle betrunkener Soldaten die sanften Nachtgeräusche der Stadt, die sich längst zur Ruhe begeben hatte. Ein Auto rollte übers Kopfsteinpflaster. Mattes Licht fiel durchs offene Fenster. Eine Straßenlaterne vor dem Haus projizierte die Blätter einer Kastanie wie Negative auf die Mansardendecke. Leicht wie eine Feder lag sein nackter Körper auf ihr. Ihre Augen waren aufgerissen und ihre geweiteten Pupillen starrten über seinen Rücken hinweg auf die Tapete, bis sich die Kastanienblätter übereinanderschoben und alles in einem erotischen Delirium verschwamm.
    Sie hatte ihre Schuhe ausgezogen, um schneller laufen zu können. Nie war ihr ein Heimweg schöner vorgekommen, als mit ihm engumschlungen durch die leeren Gassen der Altstadt zu eilen, berauscht von süßen Worten, Küssen und verstohlenen Liebkosungen und einer schier grenzenlosen Lust aufeinander, die sie nach Hause trieb, über den La ž ansky-Platz, die Jodokstraße hinauf, vorbei am Polytechnikum und die vier Stockwerke hoch in seine Mansardenwohnung. Sie versuchten nicht einmal leise zu

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