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Augenblick der Ewigkeit - Roman

Titel: Augenblick der Ewigkeit - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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junger Klaviervirtuose in Wien gegeben habe. Und danach folgte eine Lobeshymne auf einen jungen, völlig unbekannten Tenor, Josef Steinberg, der neben Herzog die herausragende Entdeckung des Abends zu werden versprach.
    Kein Wunder also, daß sich Premierengäste aus Prag und aus Wien zur Vorstellung am Krautmarkt angesagt hatten. Selten zuvor sah man so viele Limousinen mit auswärtigen Kennzeichen auf dem Platz vor dem barocken Brunnen parken wie an diesem Abend.
    Von soviel Vorschußlorbeeren überhäuft, tigerte Karl in seiner engen Garderobe wie in einem Käfig auf und ab. Schließlich blieb er in einer Ecke stehen und machte Kniebeugen. » Und eins, und zwei, und drei, und vier…«
    Franziska kam mit der aufgebügelten Frackjacke herein. » Was machst du denn da?«
    » Kniebeugen! Sollen gut sein gegen Lampenfieber.«
    » Sag nur, du hast noch Zeit für Lampenfieber?«
    An den letzten Tagen vor der Premiere hatte Franziska bis zur Erschöpfung gearbeitet. Sie mußte nicht nur die Möblierung der Villa Tugendhat überwachen, sondern sich um die Kosten, Requisiten und Bühnenbilder kümmern, den Sitz der Kostüme und das Funktionieren der Spezialeffekte kontrollieren, so daß sie, wenn sie spät in der Nacht heimkam, oft in ihren Kleidern eingeschlafen war. Manchmal war sie so verzweifelt, daß sie am liebsten alles hingeworfen hätte.
    » Hier, probier mal.« Er schlüpfte in die Frackjacke, sie saß wie angegossen.
    » Und du? Sag nur, du hast kein Lampenfieber?«
    Sie fuhr ihm mit dem angefeuchteten Zeigefinger über die Augenbrauen und nickte. » …daß es kaum noch zum Aushalten ist.«
    An jenem Morgen, als sie ihm eröffnet hatte, seine Sache zu der ihren zu machen, hatte sie nicht ahnen können, wie schnell ihr in der Zauberflöte eine mächtige Nebenbuhlerin erwachsen sollte. Karl arbeitete wie ein Besessener. Als sie sich in der Mozart-Matinee davon überzeugen konnte, wie weit er mit dem zusammengewürfelten Orchester vorangekommen war, erschrak sie vor seinem Willen zum Erfolg, dem er alles unterordnete. Er hatte kaum noch Zeit für sie, und wenn sie mit ihm allein war, sprach er nur über seine Pläne, in denen sie sich selbst kaum wiederfand. Er verlor sich ganz in seiner Schaffenswelt, während sie von Verlustängsten gebeutelt wurde. Sie mußte immer wieder an die Worte ihrer Mutter denken und versuchte, das Gefühl zu unterdrücken, von ihm ausgenutzt zu werden. War ihre Schönheit nur ein Spiegel seiner Unwiderstehlichkeit und ihr Talent nichts als eine Zutat zu seinem Ruhm? Wenn sie sich beschwerte, versuchte er sie zu beschwichtigen und vertröstete sie auf die Zeit nach der Premiere. Wollte er nur sicherstellen, daß sie ihm bis dahin nicht von der Fahne ging? Dabei war er der Mensch, mit dem sie doch ihr Leben verbringen wollte. Mehr denn je hütete sie sich, davon zu sprechen, und hoffte inständig, daß sie nach der Premiere wieder zueinanderfänden.
    » Willst du hören, wie mein Herz schlägt?« Sie nahm seinen Kopf und drückte ihn an ihre Brust. » Babam, babam, babam…«
    » Prestissimo!«
    » …ma con moto!«
    Sie schliefen kaum noch miteinander, und wenn sie in der Nacht erschöpft neben ihm lag, kam sie sich vor wie eine Katze, die sich an seine Schulterblätter schmiegte und vor sich hin döste, weil sie vor Übermüdung nicht einschlafen konnte. Nach einigen Nächten zog sie es vor, in ihrem Hotelzimmer aufzuwachen, um sich ein wenig zu regenerieren und wenigstens den Tag mit einem heißen Bad beginnen zu können.
    Sie befestigte ihr rotseidenes Schleifchen an seinem Frackrevers. » Es wird uns immer Glück bringen, solange du es trägst. Und dann, wenn alles vorüber ist…«
    Da wurde die Tür aufgerissen, und der Inspizient streckte den Kopf herein. » Noch fünf Minuten!«
    Die Türen zum Zuschauerraum wurden geschlossen. Langsam verlöschte das Licht. Ruhe trat ein. Karl stand im Eingang zum Orchestergraben. Franziska zupfte noch einmal seine weiße Fliege zurecht, drückte ihm einen Kuß auf den Mund und spuckte ihm als Abwehrzauber dreimal über die linke Schulter.
    » Toi, toi, toi! Jetzt kannst du es ihnen allen zeigen!«
    Dann betrat er den Orchestergraben. Beifall empfing ihn, aber auch Buhrufe und Pfiffe. Die kleine, aber wirkungsvolle Claque des Kammersängers hatte sich in einer der hinteren Reihen verschanzt. Ohne auf ihre Pöbelei zu achten, bahnte Karl sich seinen Weg durch das Orchester, stieg aufs Podium und verbeugte sich. Ein letzter Blick galt Franziska,

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