Aura – Verliebt in einen Geist: Band 1 (German Edition)
wir ganz für uns sind und niemand mitbekommt, wie ich euch beiden den Hals umdrehe.« Mr Moore drehte sich um und ging zur Tür hinaus.
»Das sollte nur ein Witz sein«, beruhigte Zachary mich und bedeutete mir, ihm zu folgen. »Glaube ich jedenfalls.«
Wir gingen hinter seinem Vater die Treppe hinauf durch das verlassene Schiff, auf dem weder lebende noch tote Seelen zu sehen war, bis wir das oberste Deck erreicht hatten. Auch hier war kein Mensch. Selbst die Museumsangestellten in ihren Matrosenuniformen schienen gegangen zu sein.
Hatten sie unseretwegen etwa das gesamte Schiff evakuiert?
Aber weshalb dieser Aufwand? Was konnten Zachary und ich an diesem Nachmittag getan haben, das so schlimm war, dass es eine derart mächtige Behörde wie das DMP gegen uns aufgebracht hatte?
Ich musste förmlich rennen, um mit Mr Moore Schritt zu halten, der bereits die Gangway hinunterstürmte. Als wir durch den verwaisten Museumsshop kamen, warf er seinem Sohn, der kurz vor einem Ständer mit Piratenhüten stehen blieb und einen davon aufsetzte, einen warnenden Blick zu.
Draußen standen etwa sechs Polizisten, die Mühe hatten, die neugierige Zuschauermenge zurückzuhalten. Als wir an ihnen vorbeigingen, nickten sie Mr Moore zu. Ein Mann in Trenchcoat und Sonnenbrille, der aussah wie ein Agent aus dem Bilderbuch, kam auf uns zu. Er zog ein Funkgerät aus der Tasche, sprach leise irgendwelche Anweisungen hinein und führte uns am Pavillon des Weihnachtsmanns vorbei Richtung Pratt Street, auf der reger Verkehr herrschte.
Kaum näherten wir uns dem Straßenrand, hielt eine schwarze Limousine mit getönten Scheiben neben uns. Da der Wagen die gesamte rechte Fahrspur blockierte, kam sofort einer der Polizisten angelaufen und navigierte die anderen Verkehrsteilnehmer um den Wagen herum.
Der Agent öffnete beide Wagentüren. Ian Moore blieb neben der Beifahrertür stehen und sah uns auffordernd an. »Na los, was ist? Steigt ein.«
Ich zögerte, weil ich mir nicht sicher war, ob es klug war, einfach so zu fremden Leuten in den Wagen zu steigen, selbst wenn es Regierungsagenten waren. Oder besser gesagt: gerade weil es welche waren.
»Ist schon okay«, sagte Zachary, als ich ihn fragend ansah. »Vertrau mir.«
Ich rutschte auf die mit schwarzem Leder gepolsterte Rückbank, die so verführerisch weich war, als wollte sie, dass ich hineinsank, die Augen schloss und all meine völlig berechtigten Ängste vergaß.
Zacharys Vater drehte sich zu uns um. »Anschnallen«, befahl er knapp und wies dann den Fahrer an, Gas zu geben.
»Wo fahren wir eigentlich hin?«, erkundigte ich mich.
»Nirgendwohin.« Er drehte sich wieder in seinem Sitz um und sah seinen Sohn an. »Verdammt noch mal, Zachary! Was hast du dir nur dabei gedacht?«
Zachary verschränkte trotzig die Arme.
»Du weißt doch genau, was auf dem Spiel steht!«
»Nein, das weiß ich nicht. Du sagst es mir ja nicht.« Im Gegensatz zu seinem Vater klang er kühl und gelassen.
»Ich habe dich in der ganzen Stadt gesucht …«
»Ich hatte dir auf einen Zettel geschrieben, wo ich bin.«
»… und dann ruft mich das DMP an und eröffnet mir, dass du mit ihr zusammen bist. Ausgerechnet!«
Ich setzte mich ruckartig auf. »Was ist denn so schlimm …«, begann ich, aber Mr Moore ignorierte mich einfach.
»Warum bist du nicht ans Handy gegangen, als ich dich angerufen habe?«, schimpfte er weiter.
»Weil du mich dann gefragt hättest, mit wem ich zusammen bin und ich dich nicht anlügen wollte.« Seine Augen funkelten angriffslustig. »Im Unterschied zu gewissen anderen Leuten versuche ich lieber, ehrlich zu bleiben.«
Die Nasenflügel seines Vaters bebten. »Die Wahrheit zu verschweigen, ist die feigste Art zu lügen.«
Zachary verzog das Gesicht und stieß etwas Unverständliches hervor, von dem ich annahm, dass es Gälisch war. Ian warf ihm eine Erwiderung an den Kopf, und im nächsten Moment brüllten die beiden sich so laut an, das mein Trommelfell bebte. Zu allem Überdruss raste der Fahrer so schnell über die mit Schlaglöchern übersäte Straße, dass ich mich in den Kurven am Haltegriff der Tür festklammern musste.
Es dauerte bestimmt eine halbe Minute, bis ich merkte, dass Zachary und sein Vater sich gar nicht auf Gälisch stritten, sondern in einem extrem harten englischen Dialekt. Erst in diesem Moment wurde mir klar, wie sehr sich Zachary in der Schule bemühte, neutrales Englisch zu sprechen. Während ich die beiden beobachtete – verstehen konnte ich
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