Aureol: Nefilim KI 5 (German Edition)
Teil des Sinns dieser Esskultur. Seit wir gemeinsam speisen, kommen wir einigermaßen miteinander aus. So unbegreiflich mir das auch ist.«
Sieraa nippte an einer Tasse Tee. »Ich würde mich freuen, wenn du verinnerlichst, dass ich nicht die Person bin, die du kennengelernt hast.«
»Das ist nur zum Teil wahr.«
»Was ist denn Wahrheit in dem Zusammenhang? Ist es mein Körper? Es ist ein anderer, der nur identisch aussieht. Ist es mein Wesen, mein Charakter?«
»Vielleicht.«
»Was formt unseren Charakter? Entscheidungen? Handlungen? Gedanken? Ich bin seit meiner Wiedererweckung einen Weg gegangen, den die andere Sieraa so nie beschreiten konnte . Ausgehend vom Zeitpunkt meines letzten Backups sind wir zwei verschiedene Personen geworden.«
Ich schüttelte den Kopf. »Im Grunde hast du recht, doch das Konzept dieser ... Existenzform ist so fremdartig. Ich dachte immer, dass es etwas Unveränderliches, eine feste Konstante gibt, die uns zu dem macht, was wir sind. Und das gibt es nur ein einziges Mal. Eventuell ist das ein bisschen zu einfach gedacht.«
»Wir sind komplexe dynamische Wesen, die sich fortlaufend entwickeln und verändern. Eigentlich ist das ganz wunderbar, wenn man es sich vor Auge führt.«
»Aber reagieren wir meistens nicht nur auf Ereignisse?«
»Nein. Wir führen sie auch herbei. Dabei kostet es uns manchmal viel mehr Energie und Zeit, bestimmte Ziele zu erreichen, als dass es sich dabei nur um Reaktionen auf die Umwelt, Überlebensabsichten oder Erziehung handeln könnte.
»Also ist es der freie Wille, der uns formt, zu dem macht, was wir sind?«
»Ich habe mich oft gefragt, wie frei unser Wille sein kann. Die Entscheidungen, die ich getroffen habe, haben mich zu einer anderen Person gemacht, obwohl die andere Sieraa und ich die gleiche Ausgangsbasis hatten. Ich will das nicht in Kategorien einordnen, behaupten dieses ist falsch und jenes ist richtig. Das weiß ich letztlich gar nicht so genau und manchmal sind die Dinge auch zu kompliziert, um sie so darzustellen. Aber ich weiß, dass dieses Leben sicher ein anderes ist, als dasjenige, welches die andere Sieraa geführt hat. Die Dinge, die ich jetzt tue, werden etwas bewirken, dass die andere Sieraa nicht erkennen konnte.«
»Somit sind wir verantwortlich für alles, was wir tun? Nicht unsere Herkunft, unsere Gene oder irgendeine Macht, die sich in unser Leben einmischt?«
»Einflüsse sind unvermeidbar, aber die Entscheidungen bleiben bei uns, wenn wir es so wollen. Für jeden mag der Tag kommen, wo man die wichtigste Entscheidung seines Lebens trifft. So essentiell, so einmalig, dass die Konsequenzen kaum absehbar sind, obwohl man das möglicherweise spürt und in solch einem Moment zögert.«
»Das habe ich gedacht, als ich diese Tunke ausprobiert habe, die du mir vorhin hingestellt hast. Das Zeug ist einfach ...«
Sieraa lachte laut los. »Das tut mir leid. Kri‘unng ist eine Spezialität.«
»Die Soße ist wirklich speziell. Meinen Zungenspitze brennt immer noch.«
»Trink einen Tee! Nicht diese dunkle Brühe, die du ... «
»Die dunkle Brühe ist Kaffee . Und dein Replikator macht ihn nicht besonders gut.«
»Dann trink Tee!«
»Bin kein Tee-Typ.«
»Du solltest deine Entscheidung überdenken!«, sagte Sieraa grinsend.
Ich lachte. »Habe ich schon. Ich mag Kaffee.«
Wir beendeten unsere gemeinsame Mahlzeit und machten uns an die Arbeit. Sieraa und ich nutzten interaktive, holografische Konstruktionsprogramme, die es uns ermöglichten, Parameter für das Konstruktionsziel festzulegen und dann intuitiv draufloszulegen. Die Daten flossen direkt in den Replikator, der unsere Entwürfe Realität werden ließ. Es dauerte keine zehn Stunden und wir hatten einen Satz spezieller Schutzanzüge und eine Art Speer entwickelt, die uns gegen Aureols Manifestationen schützen sollten. Beim Abendessen besprachen wir unseren Plan, Huu am nächsten Morgen einen Besuch abzustatten. Wir würden zur lokalen Mittagszeit eine Region aufsuchen, die uns die Sensorstation als möglichen Ort für Rohstoffabbau genannt hatte, weil dort eine hohe Konzentration von bestimmten Gasen und Staub in der Atmosphäre festzustellen war.
Ich stellte meinen Teller auf den flachen Tisch. »Wenn sie auf Huu waren, sollten wir Spuren finden. Hoffentlich auch einen Hinweis darauf, wohin sie geflogen sind.«
Sieraa legte ein Bein über das andere, was ihr angesichts der Tatsache, dass sie im Schneidersitz dasaß, erstaunlich leicht gelang. Kalimbari oder
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