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Aurora

Aurora

Titel: Aurora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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aus. »Was Sie auch wollen – es kostet immer noch zweihundert.«
    »Haben Sie einen Wagen?«
    »Ja.« Sie schwieg einen Augenblick. »Warum?«
    »Die Wahrheit ist«, sagte er, obwohl ihm die Lüge widerstrebte, »daß ich ein Freund Ihres Vaters bin. Ich möchte, daß Sie mich zu ihm bringen…«
    Das schien ihr einen Schock zu versetzen. Sie taumelte rückwärts, lachte hysterisch. »Sie kennen meinen Vater ja überhaupt nicht…«
    »Rapawa. Sein Name ist Papu Rapawa.«
    Sie starrte ihn an, ihr Mund erschlaffte, dann schlug sie ihm ins Gesicht – hart, mit der Handkante auf die Wangenknochen – und lief schnell davon, wobei sie immer wieder stolperte. Es war bestimmt nicht einfach, sich mit hohen Absätzen auf dem gefrierenden Schnee zu bewegen. Er ließ sie gehen. Er wischte sich den Mund mit den Fingern ab. Danach war etwas Schwarzes daran. Kein Blut, begriff er, sondern Lippenstift. Oh, sie hatte einen ordentlichen Schlag, sein Gesicht tat weh. Hinter ihm hatte sich die Tür geöffnet. Er wurde sich der Tatsache bewußt, daß Leute ihn beobachteten, und hörte mißbilligendes Gemurmel. Er konnte sich gut vorstellen, was sie dachten: Reicher Mann aus dem Westen lockt ehrliches russisches Mädchen nach draußen, versucht es herunterzuhandeln oder schlägt etwas vor, das so abscheulich ist, daß sie nur kehrtmachen und davonlaufen kann – Mistkerl. Er folgte ihr.
    Sie war auf den jungfräulichen Schnee des Spielfeldes abgebogen, dann in der Nähe der Mittellinie stehengeblieben und starrte in den dunklen Himmel hinauf. Er folgte der Spur ihrer kleinen Schuhabdrücke, näherte sich ihrem Rücken und wartete in ein paar Metern Entfernung.
    Nach einer Weile sagte er: »Ich weiß nicht, wer Sie sind. Und ich will auch nicht wissen, wer Sie sind. Und ich werde Ihrem Vater nicht sagen, wie ich ihn gefunden habe. Ich werde es niemandem sagen. Darauf gebe ich Ihnen mein Wort. Ich möchte nur, daß Sie mich zu seiner Wohnung bringen. Bringen Sie mich zu dem Haus, in dem er wohnt, und ich gebe Ihnen zweihundert Dollar.«
    Sie drehte sich nicht um. Er konnte ihr Gesicht nicht sehen.
    »Vierhundert«, sagte sie.

9. Kapitel
    Felix Suworin war in einem dunkelblauen Crombie-Mantel, den er bei Saks auf der Fifth Avenue erstanden hatte, kurz nach acht Uhr an diesem Abend auf dem Rücksitz eines Dienst-Wolga in der verschneiten Lubjanka eingetroffen.
    Der Weg war ihm durch einen Anruf von Juri Arsenjew bei dessen altem Freund Nikolai Oborin geebnet worden - Jagdgefährte, Wodkapartner und jetzt Chef des Zehnten Direktorats beziehungsweise der Sonderarchivbehörde der Föderation oder wie immer die Hamsterer sich derzeit zu nennen beliebten.
    »Hör mal, Kolja, ich habe da einen jungen Mann in meinem Büro, er heißt Suworin, und wir sind da auf etwas gestoßen… Ja, genau der… Also, Kolja, ich kann dir nicht mehr verraten: Da ist ein ausländischer Diplomat… aus dem Westen, hochrangig… er ist in krumme Sachen verwickelt, Schmuggel… Nein, diesmal keine Ikonen, paß auf… Dokumente… und wir dachten, wir sollten ihm eine Falle stellen… Genau, du nimmst mir die Worte aus dem Mund, Genosse… etwas Großes, etwas, dem er nicht widerstehen kann… Ja, das ist eine gute Idee, aber wie war’s mit dem Notizbuch, über das die alten NKWDler immer geredet haben, was war das doch gleich noch?… Richtig, ›Stalins Testament‹… Nun, genau deshalb rufe ich an. Wir haben ein Problem. Er trifft sich morgen mit der Zielperson… Heute abend? Er kann es gleich heute abend tun, Kolja, da bin ich ganz sicher… er ist gerade bei mir, er nickt… er kann es heute abend tun…«
    Suworin brauchte nicht einmal das Märchen zu wiederholen, geschweige denn es noch weiter auszuschmücken. Sobald er in der Marmorhalle der Lubjanka eingetroffen war und sich ausgewiesen hatte, hielt er sich an seine Anweisungen und rief einen Mann mit Namen Blök an, der ihn bereits erwartete. Er stand in der leeren Halle, musterte die schweigenden, gelangweilten Wachen und betrachtete die große weiße Büste von Andropow, und wenig später hörte er Fußtritte. Blök – ein altersloser Mann, gebückt und muffig, mit einem Schlüsselbund am Gürtel – führte ihn in die Tiefen des Gebäudes, dann hinaus auf einen dunklen, nassen Innenhof und weiter zu einem Gebäude, das aussah wie eine kleine Festung. Es ging die Treppe hinauf in den ersten Stock: ein kleines Zimmer, ein Schreibtisch, ein Stuhl, Holzfußboden, vergitterte Fenster.
    »Wieviel wollen

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