Aurora Komplott (Thriller) (German Edition)
der
achtziger Jahre gelungen, dieses Gift zu modifizieren, um es dann zu
synthetisieren. Ein Kontaminationsgift war kreiert, das besonders perfide
Anwendungsmöglichkeiten in sich barg.
Dieses flüssige, geruchlose und schnell
eintrocknende Lähmungsgift diffundiert bei Berührung durch die Haut in die
Blutbahn und entfaltet nach wenigen Minuten sein tödliches Potential.
Mikroskopisch kleinste Tropfen reichen zur Tötung eines Menschen aus. Als
Planer vieler Aktionen hatte er seinem Dienst die Anwendung dieses neuen
Designergiftes bei notwendigen Liquidierungen mehrmals empfohlen. Immer mit
großem Erfolg. Befreundete Dienste sind noch kurz vor dem Fall des Eisernen
Vorhangs mit diesem Gift versorgt worden. Schukow selbst hatte der
STASI-eigenen Apotheke und dem Leiter des Militärgeheimdienstes der alten DDR
dieses Gift zur Verwendung in eigener Regie zugespielt. Es ist bei Obduktionen
nur schwer nachzuweisen, zeigt es doch in den Organen und Blutgefäßen nur
unerhebliche pathologische Veränderungen. Wenn nicht gezielt nach ihm gesucht
wird und die Analysegeräte nicht genau auf diese Molekularstrukturen kalibriert
und austariert waren, ist es fast unmöglich, einen Nachweis zu führen. Ohnehin
setzt nach dem Tode in jedem Körper eine autolytische Zersetzung des
Körpergewebes und ein Bakterienbefall ein, so dass durch die Fäulnis in jedem
Kadaver auch die Auflösung des veränderten Amphibiengiftes initiiert wird.
Histologische Feingewebsuntersuchungen würden schon deshalb ins Leere stoßen,
war sich Schukow sicher. Auch wusste Schukow, dass inzwischen der israelische
Mossad dieses Gift mit abgewandelter Oberflächenstruktur und leicht veränderten
Ingredienzien einsetzte. Bei den nun offenkundig gewordenen Waffenschiebereien
des Staatssekretärs in den Nahen Osten, ein interessanter Aspekt, gleichsam
eine Spur in Richtung Tel Aviv zu legen. Diese Trugspur könnte sich als Vorteil
erweisen, sollte tatsächlich jemals dieses Gift bei den Obduktionen nachgewiesen
und diesem Heinrich Sellin die Ermordung des Dr. Dr. Beyer bewiesen werden, was
ein wenig zu befürchten stand. Dümmer und dilettantischer hätte man diesen Hit
nicht erledigen können.
In einem Mehrfamilienhaus mit den dort lauernden
Unwägbarkeiten, die durch Nachbarn oder Besucher immer bestanden, war dieses
Hautkontaktgift ein probates Werkzeug für ein Attentat. Die Opfer würden völlig
schmerz- und ahnungslos in das Jenseits gleiten. Sein Entschluss stand fest.
Dieses und kein anderes Mittel wollte er einsetzen. Die Beibringung des Giftes
wäre so simpel wie elegant. Die Zeit verstrich, ohne dass etwas geschah.
Manchmal wusste Schukow nicht, ob er in diesem Unternehmen als
unverbesserlicher Idealist benutzt wurde oder, ob er sich als Werkzeug, Patriot
oder Söldner einfach nur benutzen ließ. Söldner waren ihm von jeher suspekt.
Sie waren Huren und dienten jedem Herren, wenn nur genug gezahlt wurde. Sein
inneres Ich entschied sich für den idealistischen Patrioten einer neuen
Revolution. Warum aber hatten ihm seine Auftraggeber nur einen solchen Versager
an die Seite gestellt? War es vielleicht eine durchdachte Strategie dieser
ultrarechten neuen Kraft? Sollte gar die Endphase dieser Aktion insofern
scheitern, als dass er als Initiator ermittelt wurde? Sollte er über die Klinge
springen? Wenn ja, was beabsichtigte Moskau mit einem solchen Plan?
Sein stets wacher Instinkt ließ ihn an Schillers
Theaterstück „Die Verschwörung des Fiesco“ denken. War er der Mohr, der nach
gemachter Arbeit gehen musste, also abserviert werden sollte? Noch meldeten
seine Antennen, auf die er sich immer verlassen konnte, keine Gefahr. Aber
diffuse Gefühle stiegen schon in ihm hoch, denn mit jeder neuen Tat werden auch
neue Spuren gelegt, die in der Summe ein Bild komplettierten, das zu deuten er
der hiesigen Kriminalpolizei aber nicht zutraute. Gefühle, sagte er sich mit
freundlichem Spott, vernebeln nur den Verstand. Schukow, handle und treffe die
Vorbereitungen, befahl er sich. Auch seine innere moralische Instanz meldete
sich nicht zu Wort, die sein Vorhaben missbilligte. Nein, dazu war er viel zu
abgebrüht.
„Die Unfähigkeit dieses Jünglings hast du nicht
wahrhaben wollen“, sagte er sich nachsichtig, „ein Fehler, den du jetzt
ausbügeln musst“.
Von einem ehemaligen Kadermitglied der alten
DDR, einem früheren Apotheker aus der Ostberliner Normannenstraße, würde er
sich dieses Lähmungsgift in einem als Nasenpumpspray getarntes
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