Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Aurora

Aurora

Titel: Aurora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
Vom Netzwerk:
Oberpräfekten zu lassen.
    »Wenn Sie eine Ahnung hätten, wie schwer der Eingriff
    war, den er soeben überstanden hat, welches Ausmaß die
    inneren Verletzungen durch die Hundepeitsche hatten ...«
    Mercier wedelte mit seinem kostbaren Füllfederhalter wie mit einem Dolch hin und her, ohne den Eingang zum Klinikbereich freizugeben.
    Dreyfus sah den Arzt verständnisvoll an. Er hatte im-
    mer ein gutes Verhältnis zu Mercier gehabt und woll-
    te es jetzt nur ungern aufs Spiel setzen. »Ich kann Ihre Bedenken verstehen, Ihre Einstellung ist bewundernswert. Ich möchte auch nur eines wissen: Kann er spre-
    chen?«
    »Seine Luftröhre wurde förmlich zerfleischt. Auch sein
    Kehlkopf ist verletzt. Im Moment bringt er gerade einmal ein Krächzen heraus, und selbst das bereitet ihm große
    Schmerzen. Bitte, Tom. Was der Mann auch getan haben
    mag, er ist immer noch Patient.«
    »Wenn wir die Zeit hätten, würden wir warten«, sagte
    Dreyfus, »aber im Moment ist die Lage so, dass selbst eine Stunde zu viel ist. Gaffney verfügt über Informationen, die für die Sicherheit des Glitzerbandes entscheidend sind. Ich muss sofort mit ihm sprechen.«
    Mercier knickte ein, er sah offenbar ein, dass er diese Schlacht nicht gewinnen konnte. »Sie können das durchsetzen, nicht wahr?«
    »Ich habe Janes Genehmigung. Auch die von Baudry,
    falls Jane allein nicht genügt. Bitte, Doktor, während Sie und ich über die Gesundheit eines Mannes diskutieren, der bedenkenlos eine andere Patientin von Ihnen ermordet hat, verrinnen die Minuten.«
    Mercier sah ihn enttäuscht an. »Dachten sie, ich könnte nicht zwei und zwei zusammenzählen, Tom? So dumm bin
    ich nicht. Ich habe durchaus erraten, was Gaffney Clepsydra angetan hat. Aber er ist trotz allem ein kranker Mann.«
    Dreyfus legte Mercier die Hand auf den grünen Ärmel.
    »Es muss sein. Bitte machen Sie es mir nicht noch schwerer.«
    Mercier gab den Eingang frei. »Tun Sie, was Sie tun müssen. Aber dann verlassen Sie meine Klinik, Tom. Und kommen Sie erst wieder hierher, wenn Sie selbst derjenige sind, der ärztliche Hilfe braucht.«
    Dreyfus durchquerte den Aufwachraum. Es war ein spar-
    tanisch nüchterner Würfel, der nur durch dünne blaue
    Leuchtstreifen oben in den Wänden erhellt wurde. Gaffney lag, überwacht von einem Medizin-Servomaten mit stark
    gekrümmtem weißem Schwanenhals, in einem Bett an einer
    Seite des Würfels. Die durchsichtige Zugangswand schloss sich hinter dem Präfekten, und die Akustik des Raumes ver-
    änderte sich kaum merklich. Dreyfus trat an das Bett und ließ seinen gewohnten Stuhl aus dem Boden wachsen. Gaffneys Gesicht war starr wie eine Totenmaske, aber seine
    Augen, die den Besucher mit der Eindringlichkeit eines
    Reptils fixierten, verrieten, dass er bei Bewusstsein war.
    »Keine Blumen?«, stieß Gaffney mühsam hervor. »Das
    wundert mich.«

    »Sie sind gesprächsbereiter, als ich nach Merciers Be-
    schreibung erwartet hatte.«
    »Welchen Sinn hat es, den großen Schweiger zu spielen?
    Sie bringen mich auf die eine oder andere Weise ja doch zum Reden.« Die Worte klangen trocken wie Holzkohle, er musste sie sich einzeln abringen. In seinen Lungen rasselte es schauerlich.
    Dreyfus faltete die Hände im Schoß. »Wir haben eine un-
    geklärte Situation, Sheridan. Ich dachte, Sie könnten vielleicht etwas mehr Licht ins Dunkel bringen.«
    »Ich habe Ihnen alles gesagt, was ich weiß.«
    »Wir wissen jetzt, was es mit Aurora auf sich hat, aber wir möchten noch sehr viel mehr erfahren.« Er schaute auf sein Armband. »Vor dreißig Minuten haben Haus Aubusson und
    Szlumper Oneill begonnen, Wolken von Objekten aus ihren Produktionsanlagen in den Raum des Glitzerbandes zu entlassen. Wir wissen noch nicht, um was für Objekte es sich handelt, aber wir haben zumindest eine Vorstellung, wohin sie unterwegs sind. Sie breiten sich nicht nach allen Seiten aus. Sie bewegen sich in zwei zielgerichteten Strömen wie Wespen, die einer Duftspur folgen. In weniger als zwei Stunden werden diese Ströme zwei weitere Habitate mit
    einer Gesamtbevölkerung von mehr als sechshundertfünf-
    zigtausend Bürgern erreichen. Was wird Ihrer Meinung
    nach geschehen, wenn die Ströme mit diesen Habitaten in Kontakt kommen?«
    Gaffneys Gesicht hatte sich nicht verändert, seit Dreyfus eingetreten war. Die Maske schaute immer noch reglos zur Decke. »Wenn Sie sich solche Sorgen machen, warum verlegen Sie dann nicht die Habitate?«
    »Sie wissen, dass wir eine Masse von

Weitere Kostenlose Bücher