Aurora
würden uns nichts nützen - die
Agenten, die den Uhrmacher aufsuchten, traten sicher nicht unter ihrer wahren Identität auf. Aber gelegentlich waren sie doch etwas indiskret. Einer ließ im Gespräch ein Wort fallen, das sicher nicht für Anthony Theobalds Ohren bestimmt war.«
»Ein Wort.«
»Brandfackel«, sagte Gaffney.
»Mehr hast du nicht? Ein einziges Wort, das alles Mög-
liche bedeuten könnte?«
»Ich hatte gehofft, du könntest etwas Licht in die Sache bringen. Ich habe eine Datenbanksuche durchgeführt, aber keine brauchbaren Einträge gefunden.«
»Dann hat es nichts zu bedeuten.«
»Oder es verweist auf ein so tiefes Geheimnis, dass es
nicht einmal in Dateien der höchsten Geheimhaltungsstufe auftaucht. Tiefer kann ich nicht graben, sonst stolpere ich womöglich über den gleichen Draht, der die Gegenseite bereits auf unser Interesse für den Uhrmacher aufmerksam
gemacht haben könnte. Aber ich dachte, du ...«
Sie fiel ihm schroff ins Wort. »Ich bin nicht allwissend, Sheridan. Du kannst Orte aufsuchen, die mir verschlossen sind, und umgekehrt. Wenn ich alles wüsste und alles sehen könnte, wozu bräuchte ich dann dich?«
»Das ist ein Argument.«
»Vielleicht gibt es tatsächlich etwas, das sich Brandfackel nennt.« Das klang versöhnlich, aber er spürte die Ohrfeige, bevor sie kam. »Womöglich ist es der Name der Gruppe
oder Zelle, die den Uhrmacher erforscht. Doch dann sagt er uns nichts, was wir nicht schon wüssten.«
»Aber es ist ein Ansatzpunkt. Ein Hebel.«
»Oder nur ein Zufallsgeräusch, von einem Trawl mit gie-
rigen Fingern aus dem Gehirn eines Sterbenden geholt. Was glaubst da denn?«
»Ich glaube, wir haben es mit Panoplia zu tun«, sagte
Gaffney.
»Du traust deiner eigenen Organisation zu, dass sie ihn nach allem, was er ihr angetan hat, am Leben erhalten wollte?«
»Es hätte doch eine gewisse Logik. Als der Uhrmacher
Amok lief, hat Panoplia den Geist in die Flasche zurück-gestopft. Aber wir wussten immer noch nicht, was er war oder woher er kam. Wer hätte bessere Möglichkeiten gehabt, die Flasche irgendwo zu verstecken, um sie weiter zu studieren? Wäre es nicht sogar pflichtvergessen gewesen, nichts dergleichen zu tun?«
Nach einer längeren Pause sagte sie: »Die Argumentation hat etwas für sich, Sheridan.«
»Deshalb glaube ich, dass Brandfackel der Codename für
eine Abteilung innerhalb Panoplias sein könnte. Jetzt muss ich nur noch herausfinden, wer zu Brandfackel gehört. Diejenigen werden wissen, wo das Ding jetzt ist. Wenn es mir gelingt, mir einen von ihnen zu schnappen, ihn von den anderen zu trennen und zu trawlen ...« Seine Hand strich unwillkürlich über den schwarzen Schaft seiner Hundepeit-
sche vom Typ C.
»Wenn du von Jane Aumonier absiehst, weißt du nicht,
wo du anfangen solltest.«
»Ich kann systematisch suchen: feststellen, wer vor elf Jahren mit der Sache zu tun hatte, wenn auch vielleicht nur am Rande, und heute noch in der Organisation ist.« Er wagte noch ein Lächeln. »Einen Vorteil habe ich, Aurora. Sie geraten allmählich in Panik, und das heißt, die Wahrscheinlichkeit wächst, dass sie Fehler machen.«
Er hatte gehofft, sie mit dieser Bemerkung zu trösten,
aber er erreichte genau das Gegenteil. »Gerade das wollen wir nicht, Sheridan. Wenn diese Leute Fehler machen, lassen sie den Uhrmacher womöglich entwischen. Das wäre
nicht nur verheerend für unsere Pläne, es wäre für das gesamte Glitzerband eine Katastrophe wie die, der es vor elf Jahren nur knapp entronnen ist.«
»Ich werde die nötige Vorsicht walten lassen. Ich verspreche dir, das Wesen wird uns kein zweites Mal entkommen.
Und wenn doch, dann wüssten wir jetzt, was wir zu tun hätten, um es wieder einzufangen.«
»Sicher«, sagte Aurora. »Und wir würden zittern und bangen, ob das Verfahren auch ein zweites Mal funktioniert, nicht wahr? Nur aus Interesse, sage mir: Hättest du den Befehl geben können?«
»Welchen Befehl meinst du?«
»Das weißt du ganz genau. Hättest du über dich gebracht, worüber niemand gerne spricht? Das, was man unternahm,
bevor man das Sylveste-Institut für Künstliche Mentalisierung bombardierte?«
»Ohne mit der Wimper zu zucken«, sagte er.
Thalia spürte einen kalten Hauch im Nacken, als die schwere Doppeltür hinter ihr aufschwang. Die anderen Präfekten
tuschelten miteinander, die Gespräche dauerten offensichtlich schon eine ganze Weile. Thalia war zu sehr in ihrer Arbeit aufgegangen, um sich viel um
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