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Aurora

Aurora

Titel: Aurora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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hat?«
    »Nein«, sagte die Synthetikerin bedächtig. »Was ich meine, ist ungeheuer viel mehr. Ein Bewusstsein wie eine Gewit-terwolke, durchzuckt von erschreckenden Blitzen, erfüllt von entsetzlicher Finsternis. Das ist keine Beta-Simulation.
    Sie hat die Struktur eines menschlichen Bewusstseins, aber verzerrt, vergrößert, pervertiert. Wie ein unheimlicher Her-rensitz, ein großes Haus, das sich dem Bösen verschrieben hat.«
    »Hat die Persönlichkeit einen Namen?«
    »Ja«, bestätigte die Synthetikerin. »Sie tut so, als wolle sie ihre wahre Identität vor uns verborgen halten, aber ich habe ihre Tarnung durchschaut. Sie ist zu eitel, um sich gründlich zu verstecken. Ich glaube, sie wünscht sich, erkannt zu werden.«
    Dreyfus wagte kaum zu fragen. »Und wie lautet der
    Name?«
    »Sie nennt sich Aurora.«
    »Ich habe keinen Fehler gemacht«, beteuerte Thalia. »Ich schwöre Ihnen, ich bin genau nach Vorschrift vorgegan-gen.«
    Thorys Augen waren zu hasserfüllten Pünktchen ge-
    schrumpft. »Dann stimmt vielleicht mit den Vorschriften etwas nicht. Mit jeder Sekunde ohne Abstraktion büßen wir bei den Lobbyisten an Ansehen ein. Sie machen sich keinen Begriff vom Ausmaß unserer finanziellen Verluste. Jeder Einzelne von uns ist ein Teil der Gesellschaft von Aubusson. Wer die Finanzen des Habitats schädigt, der schädigt uns. Und das heißt, mich persönlich.«
    Thalias Stimme war kleinlaut und schüchtern geworden.
    Sie kam sich vor wie ein Schulmädchen, das erklären sollte, warum es seine Hausaufgaben nicht gemacht hatte. »Ich
    weiß nicht, wo das Problem liegt.«

    »Dann sollten Sie vielleicht anfangen, danach zu suchen!«
    Thory starrte sie gehässig an. »Sie haben das Glas zer-
    brochen, Präfekt. Jetzt müssen Sie es auch wieder kitten.
    Warum tun Sie eigentlich nichts, anstatt nur dazustehen wie ein versteinerter Baum?«
    »Ich ... ich habe keinen Zugriff«, sagte Thalia. Unter der Uniformjacke lief ihr der kalte Schweiß über den Rücken.
    »Man hat mir ein Sechshundert-Sekunden-Fenster gegeben.
    Ich habe Gebrauch davon gemacht. Jetzt lässt mich der Prozessor nicht mehr hinein.«
    »Dann sollten Sie sich etwas anderes einfallen lassen«, sagte Caillebot. »Und zwar schnell.«
    »Ich kann nichts anderes tun. Ich kann ein paar ober-
    flächliche Tests an der Säule durchführen ... aber ohne Zugriff auf den Prozessor kann ich ihm nicht ins Innere sehen.
    Und es muss sich um ein fundamentales Problem handeln,
    das tief im System verwurzelt ist.«
    Nun ergriff Parnasse das Wort. Seine Stimme war nur
    ein leises Grollen, aber alle horchten auf. »Man hat Ihnen nur einen einzigen Einmalschlüssel mitgegeben, junge Frau?«
    »Nur diesen einen«, sagte Thalia.
    »Dann hat sie recht«, erklärte er, an die anderen gewandt.
    »Ich mag kein Präfekt sein, aber ich habe eine gewisse
    Vorstellung, wie diese Anlagen funktionieren. Ohne einen neuen Schlüssel kommt sie nicht mehr rein.«
    »Dann rufen Sie zu Hause an und besorgen sie sich
    einen«, zischte Thory.
    »Nicht so einfach ohne Abstraktion«, gab Parnasse zu-
    rück. Dann sah er Thalia an. »Das stimmt doch, nicht wahr?
    Ihre Funkverbindung ist ebenfalls auf die Abstraktions-
    dienste angewiesen. Sie können Panoplia erst erreichen, wenn die Abstraktion wieder läuft.«
    Thalia schluckte hart. Jetzt kam ihr die Wahrheit voll-
    ends zu Bewusstsein. »Ganz recht. Wir hängen ebenfalls

    am Abstraktionsprotokoll. Ich bin von zu Hause abgeschnitten.«
    »Probieren Sie es trotzdem, nur um ganz sicher zu sein«, verlangte Parnasse.
    Gehorsam versuchte Thalia, den Anruf von Muang zu er-
    widern, den sie während des Updates ignoriert hatte.
    »Es tut mir leid«, sagte sie, als das Armband keine Verbindung herstellte. »Ich kann Panoplia nicht sehen. Ich sehe nicht einmal mein Schiff.«
    »Ein Meisterstück!«, höhnte Thory. »Zuerst schneiden
    Sie uns den Bauch auf, und dann können Sie nicht einmal um Hilfe rufen! Wer hatte denn diese verdammt clevere
    Idee?«
    »Solche Schwierigkeiten hatten wir bisher noch nie. Wir bestimmen, wann und wie die Abstraktion heruntergefahren wird.«
    »Bis heute«, sagte Thory.
    Die Stimmung unter den Versammelten wurde immer ge-
    reizter. Dabei waren sie so freundlich gewesen, bis sie ihnen ihr Spielzeug weggenommen hatte.
    »Hören Sie«, bat Thalia, um einen versöhnlichen Tonfall bemüht. »Es ist unverzeihlich, und ich bedauere aufrichtig, dass Sie meinetwegen Unannehmlichkeiten haben. Aber ich verspreche Ihnen, es

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