Aus dem Leben eines Lohnschreibers
zum Beispiel, daß Sie der Anblick betender Muselmanen an brünstige Küchenschaben erinnert.« - »Wenn Sie erst wüßten, an was ich bei betenden Christen denken muß«, hatte ich gesagt.
Obwohl es mit dem Freßverführungstext doch geeilt hatte, rief mich die Redakteurin erst nach zwei Tagen an und berichtete, diesmal kleinlaut und mit einer herzerweichend erschöpften Stimme, von endlosen Diskussionen, die mein Text in der Redaktion ausgelöst habe - als hätte ich ein Pamphlet verfaßt, das die Grundfesten des Abendlandes unterhöhlen könnte. Sie sei dafür gewesen und habe sich nicht durchsetzen können. »Wo ist das Problem«, sagte ich, »die Hälfte von 4000 ist 2000, weisen Sie das Ausfallhonorar an und fertig.«
»Nein«, jammerte sie, mein Text sei doch gut, nur eben unverständlich für die Leser ihres Blattes. Der Leser erwarte an dieser Stelle nicht Literatur, nichts um die Ecken herum Gedachtes, sondern meine ganz einfache Stellungnahme: Wie ich persönlich, der Autor von Frauenverführungsgeschichten und Frauenverführungsromanen, die Frauen beim oder mit dem Essen verführe oder zu verführen gedächte. Tips, praktische Lebenshilfe - das sei es, was der Leser wolle, nicht schräge Empfehlungen, wie sie meinem Boris aus Bielefeld gegeben würden.
»Der Leser Ihres Blattes ist doch Boris«, sagte ich. Ich hatte diesen Boris doch nicht nur zu meinem Privatvergnügen erfunden, sondern um dem Leser der Zeitschrift, falls er tatsächlich blöd war und eine Verführungsanweisung erwartete, ein ironisches Spiegelbild vorzuhalten. »Boris ist die Identifikationsfigur, was wollen Sie denn noch?«
»Ihre Meinung«, sagte die Redakteurin, »wie Sie persönlich es anstellen, das wollen wir, beziehungsweise unsere Leser wissen.«
Jetzt war es genug: »Sind Sie verrückt«, rief ich ins Telefon, »ich will doch keine Frauenherzen mit dem Fressen gewinnen, was sind denn das für Schicksen, die auf feines Fressen abfahren, feines Fressen ist doch Ersatz für Erotik und kein Weg zur Erotik.«
»Sie sprechen mir aus der Seele«, sagte die Redakteurin und fing plötzlich an zu weinen: Ich solle mich mal in ihre Lage versetzen: Bei einem Blatt für fette Freßwichser mitwirken zu müssen - die Hölle sei das. Sie versuchte mir klarzumachen, es sei besser für mich, wenn sie noch einmal 1000 Mark auf das Honorar drauflege, als wenn sie 2000 abziehe. Von einem 5000-Mark-Abdruck-Honorar hätte ich doch mehr als von einem 2000-Mark-Ausfallhonorar - und alles, was ich zu tun hätte, wäre, meinen Text etwas zu kürzen und als meine persönliche Empfehlung auszugeben.
»Das beschädigt mein Image«, sagte ich, wenn das jemand liest, der mich kennt, dann bin ich unten durch.
Die Redakteurin versicherte mir, daß dies nicht der Fall sein werde. Kein Mensch lese dieses Blatt. Jedenfalls kein Mensch, der meine Bücher lese. Ich bestand auf 6000. Wer Poeten erniedrigt, dessen Rechnung muß erhöht werden. Schmerzensgeld. Es ging in Ordnung. »Dafür lade ich Sie auf eine Rostbratwurst ein, falls wir uns mal treffen«, sagte ich und machte mich daran, meine Geschichte zu zertrümmern und zu einem verbraucherfreundlichen Ratgebertext umschreiben.
Sechs Wochen später wurde mir das Heft zugeschickt. Obwohl ich Wert darauf lege, auf Fotos möglichst misanthropisch auszusehen, war es auf irgendeinem verdammten Buchmesse-Empfang einem Fotografen gelungen, ein gräßlich lebensbejahendes Genießerbild von mir aufzunehmen - mit einem Teller voller Leckereien in der Hand - und einem glasigen Glanzblick wie ein Starkoch, der zu viel gekokst hat. Dieses hassenswerte Foto war sehr groß, mein Text wurde daneben zu einem Nichts:
Das Essengehen ist und bleibt die klassische und chancenreichste Unternehmung, wenn ein Mann eine Frau verführen will. Oder eine Frau einen Mann. Die Umkehrung wäre ja schließlich auch denkbar. Geschieht aber trotz fortgeschrittener Emanzipation leider noch viel zu selten.
Sollte ich diesen Unsinn wirklich geschrieben haben? Ein widerwärtiger Anfang. Oder war das eine Art Vorspann der Redaktion? Und so ging es weiter - betulich wie Puderzucker:
Natürlich wird sich kein vernünftiges menschliches Wesen allein auf Grund eines noch so gelungenen raffinierten Essens verführen lassen. Die tolle Frau, die sich von, durch oder gar gleich nach einem Essen verführen ließe, wäre so toll nicht. Während des Essens schon. Das wäre toll in der Tat. Die richtigen Leckereien können einen in der
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