Aus dem Leben eines plötzlichen Herztoten - Tagebuch eines Tagebuchschreibers
Anhängerkupplung und am besten mehrere Anhänger hat.
Ich weiß natürlich, dass es in einer Freundschaft eigentlich um Selbstlosigkeit geht, da sollte der Kosten-Nutzen-Aspekt überhaupt keine Rolle spielen. Man ist ja nicht mit jemand befreundet, weil er einen Dampfstrahler und ein Vertikutiergerät besitzt, sondern man schätzt ihn irgendwie, obwohl er das alles nicht hat. Trotzdem ist es kein Fehler, insgeheim mal eine Art Kassensturz zu machen und den Tatsachen ins Auge zu sehen, damit man weiß, wo man steht und ob man tatsächlich für jede Kleinigkeit den passenden Handwerker bestellen muss.
Man sollte ruhig eine Liste anlegen, auf der man jedem Freund die entsprechenden Fähig- und Fertigkeiten zuordnet, und das dann am besten auch so in sein Telefon einspeichern. Dann merkt man ganz schnell, ob man überhaupt die richtigen Leute kennt, und da bin ich bei mir nicht so ganz sicher.
Beginnen wir mit Daniel, ein netter Mensch, mit dem man unglaublich gut sehr viel trinken und der Geheimnisse für sich behalten kann. Daniel züchtet Zwergpapageien, sogenannte Unzertrennliche. Er beherrscht das hervorragend, weiß, welche Vögel er zusammenstecken muss, um die großartigsten Farbgebungen zu erzielen.
Dafür bewundere ich ihn, aber wann könnte mir seine Fähigkeit von Nutzen sein? Vielleicht, wenn ich mal einen Zwergpapageienfilm drehen will und dringend Darsteller brauche. Nein, da fehlt die Dramatik. Eine reiche, mir bis dahin unbekannte Tante vererbt mir ein Vermögen. Ihre einzige Bedingung: innerhalb von vier Wochen will sie eine Fassung von »Vom Winde verweht« haben, in der alle Rollen von Zwergpapageien gespielt werden. Da wäre mir Daniel auf jeden Fall von großem Nutzen.
Karina ist Trägerin des schwarzen Gürtels im Hatha-Yoga, beherrscht okkulte Praktiken wie Familienstellen und hat vor allem eine Ausbildung als Altenpflegerin. Das klingt extrem nützlich, aber wenn ich alt bin, ist sie auch alt und wer weiß, wer dann am Ende wen pflegen müsste und ob mir die dauernde Familienstellerei nicht zu laut wäre.
Aber was ist mit Holger? Der hat tatsächlich eine Ausbildung als Steuerberater, nur dass er leider nie in dem Beruf tätig war, sondern seit zwanzig Jahren Betriebsrat in einem großen Unternehmen ist. Wozu könnte ich einen Betriebsrat brauchen? Sollte ich jemals Angestellte haben, wäre ein Betriebsrat wohl das letzte, was ich brauchen könnte.
Edwin hat Kunst studiert und verdient sein Geld heute mit dem Beschriften von Körpern. Ich hoffe nicht, dass ich jemals so verzweifelt bin, ihn um einen Freundschaftsdienst zu bitten und mir irgendwelche chinesischen Schriftzeichen eintätowieren zu lassen, deren Bedeutung weder Edwin noch mir so richtig klar ist.
Wenigstens in dem Fall könnte mir Sarah von Nutzen sein, denn sie hat Sinologie studiert und würde mir meine Tätowierung ins Deutsche übersetzen.
Angela bietet Führungen in einem ostwestfälischen Heimatmuseum an. Das ist eine sehr spezielle Fähigkeit, die man nur ganz selten brauchen kann. Genau genommen nur, wenn man ein ostwestfälisches Heimatmuseum besucht. Dann aber ist es sehr nützlich, wenn man Angela kennt.
Bernd und Rüdiger haben ein Karthografie-Unternehmen, sie malen Stadtpläne, und wenn ich mal eine Stadt habe, werde ich bestimmt noch froh sein, sie zu kennen.
Laura sitzt in der Jury eines recht ordentlich dotierten Literaturpreises, aber damit sie mir nützlich werden könnte, müsste ich wenigstens einen Roman vorweisen, und ich habe in meinem Freundeskreis niemanden, der mir den schreiben könnte.
Außer vielleicht Martin Mosebach. Den kenne ich ehrlich gesagt nicht besonders gut, aber er begrüßt mich meistens, wenn wir uns zufällig begegnen, und tut auch so, als würde er sich freuen mich zu sehen, bis er endlich jemand Bedeutenderen erspäht hat. Es wäre vielleicht gar nicht dumm, den Kontakt zu intensivieren, denn, wie ich von Eckhard Henscheid gehört habe, kennt Mosebach auch den Papst, und der Papst ist der Stellvertreter Gottes. Das heißt: über Mosebach hätte ich einen direkten Draht zu Gott. Das kann nie verkehrt sein.
Mit Politikern bin ich nicht befreundet, mein Nachbar war früher Bürgermeister einer Hochtaunusgemeinde, er hat mir mal ein Starthilfekabel geborgt, aber das hatte mit Politik nichts zu tun. 1990 schüttelte ich Hans-Dietrich Genscher die Hand, doch daran wird er sich nicht erinnern, und ich wüsste auch gar nicht, welchen Gefallen er mir tun könnte.
Geschichtlich
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