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Aus dem Leben eines plötzlichen Herztoten - Tagebuch eines Tagebuchschreibers

Aus dem Leben eines plötzlichen Herztoten - Tagebuch eines Tagebuchschreibers

Titel: Aus dem Leben eines plötzlichen Herztoten - Tagebuch eines Tagebuchschreibers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: FUEGO
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Männer einfach nur übergewichtig sind. Man spricht da von Scheinschwangerschaft. Erschreckenderweise ist kaum ein Mann heute noch in der Lage, den Vatertag angemessen zu feiern. Statt mit einem Bollerwagen durch die Botanik zu ziehen, sich dort sinnlos zu betrinken und schlecht zu benehmen, verbringen 80 Prozent aller Väter diesen Tag laut Umfragen »am liebsten mit der Familie«.
    Früher litten Kinder gerne unter der Abwesenheit des Vaters. Nie war er für sie da, immer unterwegs, betrunken, im Krieg oder trieb sich mit anderen Frauen herum oder alles zusammen. Eindrucksvolle Romane, Theaterstücke und Filme sind daraus entstanden. Thomas Mann traumatisierte sämtliche Nachkommen und erfüllte dadurch seine Vaterpflichten vorbildlich, er hätte niemals einen Kurs für Babymassage besucht, Windeln gewechselt oder seine Kinder im Tragetuch herumgeschleppt. Die Kinder wussten aber ihre unglückliche Jugend durchaus künstlerisch umzusetzen. Franz Kafka litt besonders intensiv an einem verständnislosen Vater, und welch einzigartige Literatur ist dabei herausgekommen? Marvin Gaye wurde sogar von seinem eigenen Vater erschossen, weil der nicht mit seinem Lebenswandel einverstanden war, hatte die Zeit davor aber genutzt, um unsterbliche Songs zu schreiben. Der Vater von Brian Wilson war ein Sadist, der Sohn konnte seinen Grausamkeiten nur entgehen, indem er Musik machte, und schuf folgerichtig mit den Beach Boys die großartigsten Werke der Popmusik.
    Diese Art von Vätern ist sehr selten geworden. Jahrzehntelang wünschten sich Frauen den verständnisvollen, sensiblen, verantwortungsvollen Vater, der immer für seine Kinder da ist, und nun haben sie ihn. So ein Vater dient seinen Kindern natürlich nicht mehr als Inspirationsquelle für das eigene künstlerische Schaffen, stattdessen beutet er seine Nachkommen gnadenlos selber aus. Schreibt alles auf, was sie sagen oder nicht sagen und veröffentlicht dann Bücher wie »Der kleine Erziehungsberater« oder »Salve Papa«. Natürlich kann man auch an solchen Vätern leiden, aber literarisch ist das wenig ergiebig.
    Tatsächlich werden Schriftsteller und Journalisten hauptsächlich deshalb Väter, um endlich Stoff zum Aufschreiben zu haben. Sie brauchen die Kinder als Stichwortgeber. Was leider nicht immer funktioniert. Ich habe zwei Kinder, vor deren Erscheinen ich endlos öde Geburtsvorbereitungskurse besuchte. Ich habe Stoffwindeln gewechselt, gewaschen und Wollhosen nachgefettet, ich habe Vollkornbreie zubereitet und verfüttert, mit Ökoholzspielzeug herumgefuhrwerkt, Zwerge aus Knetwachs geformt oder aus Wolle gefilzt, die Kleinen zum Kindergarten gebracht, Kürbisse mit ihnen ausgehöhlt und sechsstündige Elternabende in der Waldorfschule klaglos abgesessen. Aber das Ergebnis erwies sich als dürftig. Lustige oder wenigstens altkluge Aussprüche waren die Ausnahme, meine Kinder ließen es sehr an Originalität mangeln. Jedenfalls sind nicht mehr als zwei kurze Kolumnen und eine dreiseitige Geschichte dabei herausgekommen. Meine Kinder waren in literarischer Hinsicht eine einzige Enttäuschung. Sie weigerten sich, mir eine Inspirationsquelle zu sein, und ich konnte ihnen noch nicht mal den strengen, despotischen Vater geben, der es ihnen ermöglicht hätte, zu ernstzunehmenden, gebrochenen Persönlichkeiten heranzureifen. Und das Schlimmste: Ich weiß noch nicht mal, wen ich dafür verantwortlich machen soll. Die Kinder, meinen Vater, die Gesellschaft oder doch die Waldorfschule?

2010
    Mai
    Springflutkatastrophe
    Vor einigen Jahren stand in beinahe jedem Garten ein weißes Partyzelt, inzwischen befindet sich an der Stelle ein Trampolin. Es sind teilweise gigantische Aufbauten, oft mit einem Fangnetz gesichert, die einen großen Teil der Gartenfläche einnehmen. Die Deutschen sind zu einem Volk der Trampolinspringer geworden. Aber was macht dieses ständige Springen mit den Deutschen? Gewöhnt es sie an das Auf und Ab der Börsenkurse? Erleben sie sich als Spielball der Elemente? Des Schicksals? Auf jeden Fall ist das die Bewegungsform der Zukunft. Die Bürgersteige werden aus nachfedernden Materialien bestehen und wir hüpfen zum Bus oder zum Supermarkt. Mit der Zeit wachsen uns Beutel am Bauch, in denen wir unsere Kinder oder Einkäufe transportieren. Die Frage ist: geht das auch mit Rollator, und wann kommt endlich der Trendsport »Nordic-Trampolin-Springing«?
    Wahrnehmungsstörungen
    Ich werde alt. Bei einem Rundgang durch meine Heimatstadt stelle ich fest,

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