Aus dem Leben eines plötzlichen Herztoten - Tagebuch eines Tagebuchschreibers
dass es dort mehrere gastronomische Betriebe gibt, die »Sky« heißen. Es dauert etwas länger, bis ich begreife, dass es sich hier nicht um eine Kneipenkette handelt, die dem Durstigen den Trinkerhimmel verspricht, sondern einfach um Gaststätten mit Pay-TV-Anschluss. Skylose Wirte sollten meiner Ansicht nach zumindest ein Schild mit der Aufschrift »ZDF und Deutschlandfunk« raushängen.
Essen für Afrika
Im ICE isst man im Speisewagen nicht nur, um satt zu werden, sondern auch, um die Welt zu verbessern. 50 Cent pro »Aktionsgericht« gehen nämlich sofort an die Initiative »Spitzenköche für Afrika«. Das erweckt zunächst den Eindruck, man spende, damit Spitzenköche nach Afrika reisen können und den Menschen dort fünfgängige Menüs zubereiten oder ihnen die Vorzüge der Molekularküche näherbringen. Doch die Aktion »Spitzenköche für Afrika« ist Teil der noch größeren Organisation »Menschen für Menschen«. Heißt das etwa, mit dem Verzehr eines Aktionsgerichts ermögliche ich einem mittellosen Kannibalen, frisches Menschenfleisch möglichst aus Freiland- oder Bodenhaltung zu erwerben?
Natürlich nicht, für so etwas würden sich Sarah Wiener oder Tim Mälzer niemals hergeben. Das Geld wird für den Bau von Schulen in Äthiopien gebraucht. Ich habe im letzten Monat mindestens zehn Mal im Speisewagen gegessen, also sind schon fünf Euro nach Äthiopien unterwegs. Damit kann man dort wahrscheinlich eine Grundschule mit Turnhalle bauen. Jedenfalls lese ich sehr oft Meldungen, aus denen hervorgeht, dass man schon mit 20 Cent im Monat einem Kind in Burkina Faso unglaubliche Dinge ermöglichen kann. Ich bin ja nicht der Einzige, der im Speisewagen Aktionsgerichte zu sich nimmt, es sind längst Tausende von Euro nach Äthiopien geflossen und das ganze Land hat womöglich bald die größte Schuldichte Afrikas. In wenigen Jahren wird Deutschland überschwemmt mit perfekt ausgebildeten Äthiopiern, die uns die Arbeitsplätze wegnehmen, und wir können nichts dagegen tun, weil wir durch das viele Aktionsessen im Speisewagen träge und fett geworden sind.
Die gelbe Gefahr
Man fragt sich, warum eigentlich soviel Raps angebaut wird. Für das Auge sind die leuchtend gelben Felder ein angenehmer Anblick, aber brauchen wir diese Rapsmengen tatsächlich? Dr. Klaus Kliem, der Vorsitzende der Union zur Förderung von Oel- und Proteinpflanzen e.V., spricht von »Deutschlands schönsten Ölfeldern« und nennt sie eine »Quelle für einen kulinarischen Schatz, der es Wert ist, entdeckt zu werden«. Ich glaube, das Ganze ist eher eine langfristig angelegte Imagekampage für die FDP. Man muss also damit rechnen, dass wütende Bürger bald die ersten Felder zerstören.
Ersatzmusiker
Bei einer Aufführung der h-Moll-Messe von Johann Sebastian Bach mit barocken Instrumenten erscheinen zuerst Chor und Orchestermusiker, und dann kommen noch drei Männer mit Trompeten, die entfernt einer Vuvuzela ähneln, sowie eine Dame mit einem Hornblasinstrument von fast brezelhafter Gestalt und nehmen ganz am Rand der Bühne Platz. Die Brezelbläserin sitzt sogar noch drei Meter von den Trompetern entfernt. Dann erscheint John Eliot Gardiner und es geht los. Alle Musiker haben ordentlich zu tun, nur die vier am Rand sind zur Untätigkeit verurteilt. Sind das Auswechselspieler? Ich gebe zu, ich bin kein regelmäßiger Konzertbesucher, und die h-Moll-Messe habe ich noch nie vorher gehört, deshalb mögen meine Überlegungen etwas ignorant wirken. Aber die Messe wird ohne Pause gespielt, und da könnte es doch sein, dass Gardiner irgendwann, wenn die ersten Bläser schlapp machen, frische Kräfte bringen will. Das ist seine Ersatzbank. Und mit der Brezelbläserin will er wahrscheinlich beim Gegner Verwirrung stiften. Aber wer ist in einem Konzert eigentlich der Gegner? Der Komponist? Oder der Veranstalter?
Nach einer halben Stunde werden die Trompeter auf ein geheimes Zeichen von Gardiner eingewechselt. Sie treten drei Schritte nach vorne und lassen ihre Instrumente jubilieren. Dann müssen sie sich wieder setzen, es war wohl doch nicht so gut. Die Brezelbläserin wird von Gardiner nach einer Stunde Spielzeit gebraucht. Sie darf ganz nach vorne kommen und entlockt ihrem Instrument sehr unbrezelhafte Töne. Gardiner lässt sie fast drei Minuten gewähren, dann muss auch sie sich wieder setzen*. Die Trompeter bekommen später noch eine Chance, aber die Messe bringt er dann doch lieber mit der Anfangsformation zu Ende. Vielleicht lässt
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