Aus dem Überall
losziehen können.«
Beim Abendessen auf der golddurchfluteten Veranda sprachen sie kaum. Verträumt beobachtete Jakko die weißen Fledermäuse, die ein Muster in den Himmel stickten. Als er den Blick wieder senkte, bemerkte er, daß Pfirsichdiebin ihn aufmerksam musterte. Sie wandte sich verlegen ab. Ihm kam der Gedanke, daß sie hier vielleicht noch Hunderte, ja Tausende von Mahlzeiten einnehmen würden – daß sie vielleicht den Rest ihres Lebens hier verbrachten. Und womöglich lief dann ein Kind, liefen Kinder umher. Er kannte keine Menschen, die jünger waren als er. Das alles war zuviel, zu unwirklich. Er starrte wieder hinauf zu den Fledermäusen.
In dieser Nacht begleitete sie ihn zu seiner Hängematte und blieb schüchtern, aber beharrlich neben ihm stehen, als er sich hinlegte. Nach einer Weile spürte er, wie ihre Hände über seinen Körper glitten, seine Lenden berührten. Anfangs dachte er an etwas Medizinisches, aber dann begriff er, daß sie nach Sex verlangte. Sein Blut begann zu pochen.
»Darf ich zu dir kommen? Die Hängematte ist stabil.«
»Ja«, murmelte er und griff nach ihrem Arm.
Aber während sie sich neben ihn schmiegte, meinte sie in ihrer praktischen Art: »Ich werde eine kleine Matte knüpfen müssen – für das Baby.«
Die Worte zerstörten den Zauber.
»Hör zu – es tut mir leid – aber ich habe es mir doch anders überlegt. Wir brauchen den Schlaf. Geh lieber in deine eigene Kammer!«
»Ist gut.« Das Gewicht neben ihm verschwand.
Mit einem sonderbaren Gemisch aus Trauer und Erleichterung lauschte er ihren leichten Schritten nach. In dieser Nacht erlebte er im Traum einen seltsamen Ansturm der Sinne, spürte ein Schwellen von Luft und Erde: Da war eine Frau, die lächelnd im fahlgrünen Wasser lag und ihn erwartete, während hagere schwarze Sonnenaufgangsvögel am Rand des Meeres dahinstakten.
Sie aßen in aller Frühe bei Kerzenlicht und brachen auf, als der Himmel im Osten eben den ersten graurosa Schleier zeigte. Der alte Weg aus weißen Korallen erleichterte das Vorankommen. Pfirsichdiebin ging mit lockeren, weiten Schritten neben ihm, den Rucksack lässig über die Schulter geschlungen. Die Mondhunde trotteten hinter ihnen drein.
Jakko ließ sich von der Landschaft einfangen, die allmählich aus dem Dunkel auftauchte. Zu ihrer Rechten erhoben sich dschungelbedeckte Hügel, links unter ihnen lag das im Morgenlicht glitzernde Meer. Als der erste Sonnenstrahl über den Horizont schoß, hätte er am liebsten laut aufgeschrien. Die Palmen jenseits der Straße entzündeten sich wie goldene Fackeln, die Ränder eines jeden Blattes und eines jeden Steins zeichneten sich klar und scharf ab. Einen Moment lang überlegte er, ob er unter Drogeneinfluß stünde.
Sie wanderten gleichmäßig durch einen Traum von wachsender Helle und Wärme. Der Tagwind erwachte, und die zerfaserten weißen Wolken, die über sie hinwegsegelten, brachten vorübergehend Kühle. Ihre Schritte nahmen einen Rhythmus an, den Jakko liebte, nur hin und wieder unterbrochen durch ein zerfallenes Stück Straße. An solchen Stellen warteten dann oft die Mondhunde, die unbemerkt den Weg verlassen hatten und quer durch die Buschwildnis hetzten, auf der Fährte von unbekannten Dingen. Pfirsichdiebin blieb unermüdlich an Jakkos Seite. Nur einmal hielt sie an und schaute zurück zu dem fernen weißen Punkt der Station Juliet, die fast mit dem flimmernden Horizont verschmolz.
»Weiter nach Süden als bis hierher bin ich noch nie vorgedrungen«, erklärte sie ihm.
Jakko trank einen Schluck Wasser und überredete auch Pfirsichdiebin, sich ein wenig zu stärken. Dann setzten sie ihren Weg fort. Die Straße folgte nun in Windungen dem Auf und Ab der Hügel. Als Jakko sich wieder einmal umdrehte, war die Station verschwunden. Immer noch hielt ihn die seltsam leuchtende Klarheit der Welt gefangen.
Als sie gegen Mittag haltmachten, hatten sie seiner Schätzung nach mehr als die Hälfte der Strecke zur Anlegestelle zurückgelegt. Sie aßen und tranken auf einem Schutthügel unter Palmen, und Pfirsichdiebin versorgte die Mondhunde. Dann öffnete sie die Dose mit den Fruchtbarkeitspillen, und sie schluckten schweigend, mit feierlicher Miene die bunten Kapseln. Pfirsichdiebin lachte plötzlich. »Warte, ich besorge dir einen Nachtisch!«
Sie nahm ein Messer mit gekrümmter Schneide aus ihrem Gürtel und durchforschte das Geröll, bis sie nach einer Weile mit einer großen, mittelbraunen Kokosnuß wiederkam. Jakko
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