Aus der Hölle zurück
folgenlos für den Körper geblieben sind. Gut, daß er selber damit fertig wird, daß er das ausscheidet. Weißt du, man müßte das Geschwür schneiden und reinigen. Was meinst du dazu?« »Ich weiß nicht recht …«, gab ich zurück. »Frag doch einen der Ärzte, soll der entscheiden«, stimmte er mir zu, und am nächsten Tag sahen sich der tschechische Arzt Lulaj und Dr. Sommer meine Geschwulst hinter dem Ohr an. Ihr Rat lautete: »Besser, saubermachen. Es ist immerhin der Kopf.«
Dem Blockältesten meldete ich, daß mich eine Operation im Revier erwarte, und am nächsten Tag schabten Häftlingsärzte unter Narkose die Geschwulst aus. Dann brachten sie mich im Raum für Frischoperierte unter. Immer wieder kehrte ich – wie ein Bumerang – in den Häftlingskrankenbau zurück. Obwohl es dort verhältnismäßig ruhig zuging, fühlte ich mich niemals sicher. Es starben zu viele Menschen, ringsum gab es zu viel menschliches Leid. Obgleich ich schon das vierte Jahr im Lager dahinvegetierte, peinigten mich nachts grauenerregende schwere Alpträume und das Stöhnen der Kranken. Nach einigen Tagen wurde ich wieder in den Block 17 verlegt, aus dem man die Frauen inzwischen entfernt hatte. Man hatte sie in mehrere der Verwaltung von Flossenbürg unterstehende Arbeitskommandos in Rüstungsbetrieben und in der Wehrmacht eingewiesen.
Uns erreichte die Kunde, daß Krakau befreit worden war, daß man das Konzentrationslager Auschwitz aufgelöst hatte, und daß die Einwohner Polens bereits frei waren. Wir aber steckten derweil nach wie vor bis über beide Ohren in der harten Wirklichkeit des Lagers. Die Alliierten hatten die Luftangriffe auf Fabriken und Verkehrsknotenpunkte verstärkt. Dadurch waren die Deutschen gezwungen, immer wieder neue Arbeitsgruppen zusammenzustellen, die verständlicherweise aus den billigsten Arbeitssklaven, das heißt aus Häftlingen der Konzentrationslager, bestanden.
Im März 1945 wurden bei einem Morgenappell im Block 17 weit über zehn Häftlingsnummern verlesen, darunter auch die meine, 8801 . Ein SS -Mann und zwei Häftlinge vom Arbeitseinsatz überprüften unsere Nummern, die Personalien und den Beruf. Von Schreiber Jurkowski erfuhr ich, daß ich für einen Transport nach Regensburg vorgesehen war. Über Bekannte unter den Häftlingen versuchte ich zu erfahren, um was für ein Lager es sich handle und welche Aufgaben das Kommando hatte. Ich erfuhr lediglich, daß es eine ganz neue Arbeitsgruppe sei, sonst nichts. In trübe Gedanken versunken, ging ich zu meinen Kameraden im Block 10 .
Die Fahrt in ein unbekanntes Lager, in dem man wieder ganz von vorn anfangen mußte, stimmte mich nicht gerade optimistisch. Ich hatte schon genug von all den Veränderungen. Ich wußte, was sie für einen Häftling zu bedeuten hatten. Ich war nicht zur Arbeit eingeteilt und brauchte mich daher nicht zu wundern, daß man im Arbeitseinsatz auch meine Nummer herausgesucht hatte. Eine Reklamation war eigentlich aussichtslos. Ich wurde in keinem Kommando gebraucht. Ich sollte also wieder zum Zugang werden, neue Beziehungen aufbauen, mich um zusätzliche Verpflegung bemühen und dergleichen mehr. Nach meinen Erlebnissen in Mülsen war ich im neuen Lager auf das Schlimmste gefaßt. Was half es schon, daß die Nazis den Krieg verloren, wenn ich weiterhin dazu verurteilt war, als Häftling für sie zu arbeiten. Es stimmt, ich hatte Angst, auf Transport zu gehen.
Unverhofft stieß ich vor dem Block auf Zbyszek. Man hatte ihn aus dem Bunker und der Strafkompanie entlassen. Ich umarmte ihn herzlich und dankte ihm, daß er dichtgehalten, daß er mich mit keinem Sterbenswörtchen verraten hatte. Zbyszek winkte ab und meinte: »Der Hintern war ja nicht aus Porzellan. Wichtig ist, daß wir leben. Max haben sie auch rausgelassen, weil er es verstanden hat zu schweigen.« »Nun sag aber mal, warum sie sich ausgerechnet dich vorgenommen haben«, fragte ich. »Siehst du, ich konnte den Sack nicht weit wegwerfen. Er ist vor dem Fenster runtergefallen, hinter dem ich arbeitete. Du warst nicht da, und so haben sie ihn bemerkt. Na, und dann ging der Zirkus los.« »Verflucht noch mal, ich mußte zum Appell. Verstehst du?« versuchte ich zu erklären. »Schwamm drüber, Tadek. Ich gehe auf Transport nach Regensburg. Was hilft’s, wir müssen uns verabschieden.«
»Was sagst du da? Du fährst nach Regensburg? Ich soll auch dorthin«, gab ich verdutzt und zugleich beruhigt zurück. Ich weiß nicht, ob es nun ein Zufall war,
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