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Aus der Hölle zurück

Aus der Hölle zurück

Titel: Aus der Hölle zurück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tadeusz Sobolewicz
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heißt ein Viertel, besitzen. Plagge hatte sich näher dafür interessiert. Er hatte Felek mit einem einzigen Schlag zu Fall gebracht, ihm seinen Knüppel an den Hals gepreßt und verlangt, er solle ihm erklären, woher er das Brot habe. Und schon war der Reinfall perfekt. Felek hatte es nicht ausgehalten. Blutüberströmt hatte er herausgestoßen: »Von Tadek aus der Küche.« Auf diese Weise hatte ich mir meine Auszeichnung verdient und war von Plagge – nomen est omen – mit 25  Hieben geplagt worden. Andererseits war ich selber schuld, weil ich Felek, der noch nicht so lange im Lager saß wie ich, unzerschnittenes Brot gegeben hatte.
    Auf dem Gesäß entstanden Wunden, die erst nach fast zwei Wochen zu heilen begannen. Die blutunterlaufenen Partien verfärbten sich gelb. Ich machte mir Umschläge aus den ausgekochten Brennesseln, aus denen wir den »Tee« zubereiteten, denn etwas anderes hatte ich nicht. Einen Arzt gab es in diesem Kommando nicht. Schließlich riet mir Zbyszek, Kartoffelschalen aufzulegen. Beim dritten Mal kam es endlich zu einer Besserung. Allmählich konnte ich wieder sitzen. Die ganze Zeit über hatte ich arbeiten müssen, weil Plagge niemand anders an meine Stelle in die Küche einwies.
    Ich hatte mich bereits daran gewöhnt, den Schmerz zu überwinden. Ich hatte es gelernt, mich selbst zu bezwingen, denn ich wollte leben. Ich mußte es schaffen, den Schmerz zu ertragen. Ich hatte lernen müssen, nicht daran zu denken. Der Kampf ums Leben, ums Überleben, war noch immer nicht zu Ende.
     
    Indessen wurde unserem Außenlager die nächste Häftlingsgruppe zugeteilt. In dem Saal, in dem wir untergebracht waren, wurde es eng und stickig. Die Stärke des Kommandos stieg auf etwa 1000 Mann. Unsere Pflichten in der Küche wurden größer. Tag für Tag hatten wir von morgens um fünf bis zum späten Abend an den beiden Feldküchen zu tun. Da es an Behältern für die Suppe fehlte, bekam ein Teil der Häftlinge seine Portion mittags, die anderen hingegen erst abends nach der Arbeit. Jeden Tag fielen Zbyszek und ich nach der vielstündigen Arbeit stocksteif auf unsere Strohsäcke. Wir schliefen sofort ein, so erschöpft waren wir. Man hatte keine Zeit, sich Gedanken zu machen, zu überlegen, sich nach der Freiheit zu sehnen, die vielen Landsleuten im befreiten Polen damals bereits zuteil geworden war. Wir schufteten weiter an den Feldküchen und bargen im Herzen die Hoffnung, daß auch wir vielleicht die Befreiung erleben würden.
    Von Felek und den beiden aus Łódź stammenden Leidensgefährten Freyer und Latarus, die mit dem neuen Transport eingetroffen waren, erfuhren wir, daß ihre Gruppe zusammengetrieben wurde, um die durch Bomben zerstörte Eisenbahnstrecke zu reparieren. Die Luftangriffe gingen aber Tag für Tag weiter, und oft wurde ein gerade erst ausgebesserter Gleisabschnitt erneut durch Bomben beschädigt. Die Deutschen waren ratlos, langsam begann ein heilloses Durcheinander bei ihnen einzureißen. Die durch die schwere Arbeit erschöpften Häftlinge bewegten sich bei den Gleisarbeiten nur langsam und schleppend, sie suchten nach jeder Gelegenheit, um wenigstens die nächste Stunde, den nächsten Tag zu überleben. Die Unaufmerksamkeit der Kapos und SS -Posten nutzten sie, um in den Trümmern der zerstörten Häuser oder Waggons nach etwas Eßbarem zu suchen.
    Alle Häftlinge dachten viel mehr ans Essen als an die Arbeit. Die SS -Leute und Kapos waren machtlos, denn alle Augenblicke wurde Alarm oder Entwarnung gegeben. Nicht selten gab es nach der Entwarnung, wenn die Leute an ihrer Arbeitsstelle angelangt waren, schon den nächsten Alarm. Die faschistischen Truppen wurden von den Alliierten im Westen und der Roten Armee im Osten immer heftiger bedrängt. Uns wehrlosen Häftlingen konnte jeder neue Tag den Tod bringen, entweder von der Hand eines besoffenen SS -Mannes oder durch die Bombe eines Verbündeten, der von seinem Flugzeug aus unsere gestreifte Kluft schließlich nicht erkennen konnte. Wir waren uns dessen durchaus bewußt und lebten daher in ständiger Anspannung und Furcht. Jeder Tag steigerte unsere Ängste.
    Kommandant Plagge lief fast täglich besoffen herum. Immer öfter tauchte er unter den arbeitenden Häftlingen auf und suchte nach Schnaps. In den Trümmern der zerbombten Häuser konnte man auf alle möglichen Dinge stoßen. Plagge wußte das nur allzu gut. Erneut befahl er, daß die Häftlinge alle in den Ruinen aufgefundenen Wertsachen, Lebensmittel,

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