Aus der Hölle zurück
Kleidungsstücke und Alkoholbestände melden und den SS -Leuten übergeben sollten. Für das Verstecken oder Aufbewahren unerlaubter Gegenstände drohte er strenge Strafen an. Es war immer gefährlicher, im Aufräumungskommando zu arbeiten. Regensburg wurde wegen einer ganzen Reihe von Fabriken in der Umgebung und als Verkehrsknotenpunkt unablässig bombardiert. Die tagtäglich fortgesetzten Luftangriffe unterbrachen die eingeleiteten Aufräumungsarbeiten. Selbst unsere Küche, die sich zwar zwischen Wohnhäusern, aber nahe der Donaubrücke befand, war kein sicherer Ort. Keine hundert Meter von uns entfernt stehende Mietshäuser wurden durch Bombeneinschläge schwer beschädigt. In den Luftschutzkellern kamen Dutzende von Menschen ums Leben.
Bei einem der Angriffe mußten wir die Arbeit in der Küche unterbrechen. Ich stand hinter dem Pfeiler eines Gebäudes und beobachtete am Himmel dreißig, vielleicht auch mehr Bomber mit weißen Sternen an den Tragflächen. Amerikaner – dachte ich. Sie zogen majestätisch am Himmel dahin, unbedroht von deutschen Jägern. Von Zeit zu Zeit flogen einige niedriger und warfen Bomben. Ich sah, wie sich uns in der Sonne schwarze Punkte näherten. Es schien, als kämen sie gradewegs auf uns zu. Ich konnte die Form der Bomben unterscheiden, so nahe schienen sie zu Boden zu fallen. Entsetzt schloß ich die Augen, und nach einer Weile vernahm ich schreckliche Detonationen. Innerlich spürte ich Erleichterung, daß sie irgendwo weiter weg eingeschlagen waren, daß sie mich nicht getroffen hatten. Aber schon fielen die nächsten Bomben. Ich konnte nur die Augen zumachen und mich ängstigen. Als urplötzlich die Luftabwehrgeschütze zu rattern begannen, erblickte ich überraschend von der Seite her vier Jäger mit schwarzen Balkenkreuzen am Rumpf, die sich mit hoher Geschwindigkeit in den Himmel bohrten und mit ihren Bordkanonen die anfliegenden Bomber unter Feuer nahmen.
Aber die Messerschmitts waren zu spät gestartet. Die Bomben hörten anscheinend auf zu fallen, während wir aus der Luft eine wilde Schießerei vernahmen. Soweit ich sehen konnte, schossen die Jäger keinen einzigen Bomber ab. Als die letzte Bomberkette Regensburg überflogen hatte, tauchten unversehens zwei Flugzeugstaffeln auf, deren Silhouetten ich noch nicht kannte. Flink und wendig griffen sie die deutschen Jäger an. Bald geriet eine Me- 109 in der Luft in Brand, verlor das Flugvermögen und trudelte zu Boden. Auf den Tragflächen der angreifenden Flugzeuge machte ich einen roten Stern aus. Das sind bestimmt Russen, sagte ich mir. Zum ersten Mal erblickte ich damals sowjetische Flugzeuge im Einsatz.
Eine Zeitlang hörte man noch das unheilverkündende Brummen der Flugzeugmotoren in der Luft, der Alarm ging weiter. Die Bomber drehten leicht nach Westen ab und zogen gleichsam eine Schleife. Nach kurzer Zeit vernahmen wir erneut Einschläge. Sie bombardieren Regensburg also weiter, dachte ich mir. Diesmal wohl die Umgebung des Güterbahnhofs. Und in dem Augenblick hörte ich plötzlich das Rattern eines Motorrades. Das war während des Fliegeralarms ziemlich ungewöhnlich. Indessen bog Oberscharführer Plagge mit hoher Geschwindigkeit auf den Hof ein, auf dem unsere Feldküchen standen. Als er vom Fahrzeug stieg, zeigte sich, daß er vollkommen besoffen war. Das war für mich kein ungewohnter Anblick. Die SS -Leute tranken in letzter Zeit immer mehr.
Plagge torkelte auf uns zu und röhrte: »Zbyszek, Tadek! Stellt sofort zwei saubere Kessel auf den Rollwagen, und her zu mir!« Wir begriffen, daß es ihm ernst war. Rasch begannen wir, den unverständlichen Befehl auszuführen. Als wir die Kessel auf dem Wagen untergebracht hatten, meldete Zbyszek, daß wir fertig seien. Plagge holte seine Pistole aus dem Futteral und befahl uns mit der Geste eines Betrunkenen, den Wagen vor uns her zu schieben. Unsere Verwunderung war mit Entsetzen vermischt. Der Luftangriff ging weiter, während wir – als sei gar nichts los – mitten auf die Straße hinauszogen. Hinter uns ging der besoffene Plagge mit der Pistole in der Hand. Er brabbelte nur: »Los, schneller, ihr verfluchten Hunde!«
Wir fuhren mit dem Wagen auf die Donaubrücke. Vom Güterbahnhof her waren erneut Einschläge zu vernehmen. Gleich hinter der Brücke befahl uns Plagge, in eben jene Richtung zu fahren. Die Straßen waren wie leergefegt, nicht der geringste Verkehr. Es gab nur uns und den Wagen mit den Kesseln, und hinter uns der besoffene SS -Mann. Aus der
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