Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Aus der Hölle zurück

Aus der Hölle zurück

Titel: Aus der Hölle zurück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tadeusz Sobolewicz
Vom Netzwerk:
überhaupt reden sollte. Ich hatte lange genug alles mögliche über die Gestapo mitangehört. Was mich erwartete und was mit mir geschehen würde, das entzog sich meinem Willen. Ich hatte aufgehört, ein freier Mensch zu sein. Von den Mithäftlingen erfuhr ich, daß ich mich in der Abteilung für politische Gefangene befand.
    In der Zelle war es stickig, und das Fenster wurde nachts geschlossen. Die ersten Nächte kamen mir entsetzlich vor. Wenn man sich auf die andere Seite drehen wollte, störte man den Nachbarn, so eng war es. Die Nachbarn rechts und links wachten oft auf. Auch ich wurde wach. Nachher konnte man nur schwer wieder einschlafen. Ich lauschte dann den ungleichmäßigen Atemzügen meiner Unglücksgefährten, ihrem Schnarchen, ihrem Stöhnen, ihren Seufzern. In Gedanken floh ich in die Freiheit. Immer wieder fragte ich mich, wie es dem Vater gehen mochte. Wann würde er von meiner Verhaftung erfahren? Wer würde ihm diese Nachricht überbringen? Die Mutter im Lager, und jetzt hatten sie mich geschnappt. Weshalb hatten sie mich verhaftet?
    Ich stellte mir unablässig Fragen. Was wußten sie, und um welche Informationen mochte es ihnen gehen? Mit wem sollte ich meine Festnahme in Verbindung bringen? Auf die Antwort mußte ich noch warten. Vorerst verbrachte ich Tag um Tag in der Zelle. Eigentlich sah ein Tag wie der andere aus: morgens das Wecken und das Hinaustragen des »Kübels« aus der Zellenecke, in der die Häftlinge den ganzen Tag über und die Nacht hindurch ihr Bedürfnis erledigten. Dann folgte der Gang zum Waschraum und das Waschen selbst, soweit man es überhaupt Waschen nennen konnte. Eher ein Besprenkeln des Gesichts und ein kurzes Abspülen der Hände. Danach ging es zurück in die Zelle. Nach einer Weile bekamen wir »Tee«, irgendein dunkles, ins Kochgeschirr gefülltes Gebräu, und dazu ein dünnes Stück Brot. Mittags gab es »Suppe«, zerkochte Kartoffeln und Rüben in einer Knochenbrühe; Fleisch bekam ich die ganze Zeit hindurch kein einziges Mal zu sehen. Abends tranken wir dasselbe wie morgens – das Gebräu und ein Kanten Brot. Bei jedem Öffnen der Zelle war Sukiennik verpflichtet, den Stand der Belegung zu melden und zu berichten, ob alles in Ordnung sei. Die einzige »Abwechslung« der Zellenbewohner bestand darin, daß man zum Verhör gerufen wurde.
    Meistens gegen acht Uhr morgens rief der Gestapo-Diensthabende bestimmte Personen aus den Zellen heraus. Sie wurden dann mit dem Auto in die Gestapo-Zentrale in der Kilińskiego-Straße gebracht. Im Laufe der ersten zwei Wochen meines Gefängnisaufenthalts wurde kein Häftling meiner Zelle zum Verhör abgeholt. Wir waren alle erregt, als zum ersten Mal der Name eines Zellenkameraden aufgerufen wurde. Man hatte uns nicht vergessen. Zum Verhör ging ein kleiner, ruhiger, phlegmatischer Mann aus der Umgebung von Radomsko, von Beruf war er Tischler. Er gab zu, verbotene »Blätter« gelesen zu haben. Seine Sache schien nicht sonderlich schwerwiegend zu sein. Nachmittags wurde er zurückgebracht. Die Kalfaktoren mußten ihn buchstäblich hereintragen. Sein Gesicht war nicht wiederzuerkennen. Er hatte am ganzen Körper gelbblau unterlaufene Flecke und Blutergüsse. Er atmete nur mühsam. Seine Zellenkameraden legten ihn auf einen Strohsack, obwohl das am Tage verboten war.
    Am nächsten Tag wurde Rechtsanwalt Lipiński aufgerufen, ein sehr sympathischer, fast immer fröhlicher Herr. Er kam früher zurück, ungefähr gegen Mittag. Auch ihn hatte man verprügelt. Sie hatten ihm »nur« zwei Zähne ausgeschlagen und ihn ordentlich durchgewalkt. Das Lächeln war aus seinem Gesicht verschwunden. In der Nacht stöhnte er vor Schmerzen. Am nächsten Tag wurde wieder der Tischler gerufen. Er konnte kaum gehen. Er wurde zum Verhör abgeholt und kam bis zum Abend nicht zurück. In der Zelle gab es zwei Lehrer, Szprynger und Wieczorkowski. Szprynger wurde eines Tages aufgerufen, und auch er kam nicht mehr zurück. Von den Kalfaktoren erfuhren wir, daß man ihn nach Auschwitz ins Lager geschickt hatte. Sein Verfahren war abgeschlossen. Er meinte, daß das Lager ein besserer Ausweg sei als der weitere Verbleib im Gefängnis, wo er schon fast ein halbes Jahr saß. Er hatte jedoch große Angst davor, daß man ihn letztlich doch noch der Gruppe der zur Erschießung Bestimmten zuteilen werde.
    In gewissen Zeitabständen wurden aus den Häftlingen, die ihre Verhöre bereits hinter sich hatten, Gruppen zusammengestellt, die ohne Gerichtsverfahren zum

Weitere Kostenlose Bücher