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Aus der Hölle zurück

Aus der Hölle zurück

Titel: Aus der Hölle zurück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tadeusz Sobolewicz
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Bewaffneten Kampfes ZWZ in Tarnów aufgebaut hatte. Ich erklärte ihm meine Lage mit dem neuen Namen, doch er beruhigte mich. »Mach dir keine Sorgen«, sagte er. »Hier wird dich keiner in dieser Sache verhören.«
    Der Major war zur selben Zeit verhaftet worden, als die Gestapo nachts bei uns aufgetaucht war, um meinen Vater festzunehmen. Ich erläuterte ihm die näheren Umstände der Flucht und sagte, daß ich meinen Vater zuletzt im Amtssitz der Gestapo in Częstochowa gesehen habe. Kosiba half Hordyński, den Saal in Ordnung zu halten. Ich bekam ein zusätzliches Stückchen Brot und Suppe von ihm. Endlich konnte ich den Magen füllen, aber ich fühlte mich nicht besonders gut. Das Fieber nahm mich immer mehr mit. Am dritten Tag hatte ich 39 , 4 ° Grad. Die Ärzte hegten keine Zweifel mehr. An meinem Bauch tauchten rote Flecke auf. Ich hatte Flecktyphus.
    Ich hatte mich so sehr sattessen wollen. Ich war so hungrig gewesen. Und in diesem Augenblick, da ich vom Major und von Hordyński zusätzliche Verpflegung bekam, konnte ich nichts runterkriegen. Das Fieber höhlte mich aus. Ich hatte immer größeren Durst. Mein Kopf wurde von immer größerer Betäubung ergriffen. In den Ohren vernahm ich irgendein Rauschen, in den Augen Schmerz. Ich verlor das Bewußtsein.
     
    Als ich das Weihnachtslied »Stille Nacht, heilige Nacht …« hörte, kam ich zu mir. Gesungen wurde es von drei älteren Häftlingen, und daneben standen zwei andere und weinten. Als sie aufhörten, entnahm ich ihrem Gespräch, daß Weihnachten war – das erste Weihnachtsfest im Lager. Ein Schluchzen schüttelte mich.
    Ich befand mich nicht mehr im Saal Hordyńskis. Ich begann mich in dem Raum umzublicken, in dem ich jetzt lag. Untergebracht war ich auf einer mittleren Pritsche gleich am Eingang. Neben mir schlief ein anderer Häftling. Ich spürte weder meinen Kopf noch meinen restlichen Körper. Ich schloß die Augen und versuchte mich zu erinnern, wann ich mich das letzte Mal unter den Lebenden befunden hatte. Nach einiger Zeit begriff ich, daß ich – da ich den Typhus überstanden hatte – existierte und lebte. Weihnachten – wie lange war ich demnach bewußtlos gewesen? Eine Woche? Zehn Tage? … Mein Aufwachen aus dem Fieberwahn des Typhus bedeutete aber noch nicht, daß ich zum Leben zurückgekehrt war. Es war nur ein Indiz des wiederkehrenden Bewußtseins.
    Die Pfleger im Saal bemerkten, daß ich mich bewegte, und kamen an die Pritsche, um zu sehen, wie hoch meine Temperatur war. Von ihnen erfuhr ich, daß ich mich im Fieberwahn furchtbar hin und her geworfen und geschrien hatte. Der Saalälteste, der mich beruhigen wollte, hätte sogar ein blaues Auge bekommen. Sie sagten mir, daß ich – da das Herz das Fieber ausgehalten habe – das Schlimmste überstanden hätte. Ich war aber noch so schwach, daß ich mich aus eigener Kraft nicht einmal zum Austreten in die Ecke des Saals schleppen konnte. Stets half mir ein Pfleger oder ein genesender Häftling. Ich wog nur noch 68  Pfund. Auf der Pritsche neben mir starben wohl drei Leidensgefährten, bevor ich wieder imstande war, mich selbständig fortzubewegen und alle persönlichen Bedürfnisse allein zu erledigen.
    Die polnischen Ärzte (Dr. Galka, Dr. Suliborski u. Dr. Tondos), die in den Saal kamen und sich die Kranken ansahen, machten auf mein Jugendalter aufmerksam und erlaubten nicht, daß ich zuviel aß, damit in meinem geschwächten Körper nicht wieder Durchfall verursacht werde. Normal essen konnte ich dann schon nach etwa zwei Wochen. Ich bekam doppelte Suppenportionen und zusätzlich Brot.
    Der Saalälteste C. Ostańkowicz und sein Gehilfe Oberst Dziama, die sahen, wie rasch ich genas, beauftragten mich, anderen Rekonvaleszenten bei ihren ersten Schritten nach dem Typhus zu helfen. Ich half den Kranken also beim Austreten, beim Bettenmachen und beim Verteilen von Tee oder Suppe. Später hatte ich zwei bis drei Stunden Nachtwache. Das war im Flecktyphussaal eine schwierige Aufgabe. So manches Mal schreckte einer der Patienten mit einem Schrei aus dem Schlaf auf, rannte kreuz und quer zwischen den Pritschen herum und verletzte sich am Kopf, bis Blut floß. Ein anderer wiederum wollte aus dem Fenster springen, um in den Draht zu laufen. Man mußte ihn einfangen und zur Pritsche zurückführen. Damals konnte ich mir gut vorstellen, wie ich ausgesehen hatte, als ich bewußtlos gewesen war.
    Der Nachtdienst war furchtbar anstrengend und seelisch belastend. Manchmal nannte

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