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Aus der Hölle zurück

Aus der Hölle zurück

Titel: Aus der Hölle zurück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tadeusz Sobolewicz
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gewischt wurde – ein schwer zu beschreibender Gestank, an den man sich erst gewöhnen mußte.
    Unter den Häftlingen, die sich in der Schonungsabteilung befanden, gab es auch Kranke aus der Strafkompanie – stark ausgezehrt, von Geschwüren bedeckt und mit den Spuren von Schlägen im Gesicht. Ein Häftling aus der gefürchteten Strafkompanie hatte im Krankenbau die Chance, seine Kräfte etwas aufzufrischen. Die polnischen Ärzte hielten diese Unglücklichen so lange wie nur irgend möglich bei sich fest, wobei sie ihre Karteikarten natürlich vor der Kontrolle durch den SS -Arzt verbargen. Es mag paradox klingen, aber die Schonungsabteilung war trotz alledem eine Oase, die viele Häftlinge erreichen wollten, obwohl sie sich im Block des Typhustodes befand. Die Saalältesten achteten darauf, daß die genesenden Häftlinge, die den Typhus überstanden hatten, zusätzliche Rationen Brot oder Lagersuppe bekamen. Einen Teil der angelieferten Lebensmittel »besorgten« von Zeit zu Zeit Häftlinge aus den Vorratslagern oder der Küche. Obwohl diese Hilfe sehr wertvoll war, konnten nicht alle dadurch gerettet werden.
    Typhus und Durchfall bewirkten bei den Häftlingen eine schwere Auszehrung des Körpers. Die Flecktyphusepidemie befiel immer mehr Menschen im Lager. Der Krankenbau war nicht imstande, alle Kranken aufzunehmen. Die Zahl der Sterbefälle nahm zu, aber den SS -Verbrechern war das noch nicht genug.
    Seit dem Frühjahr 1942 häuften sich die Selektionen, sowohl in den Typhusräumen als auch im Schonungssaal; sie wurden vom SS - Lagerarzt durchgeführt. In diesen Fällen bekam ich die Anweisung, die Pritschen in Ordnung zu bringen, den Betonfußboden zusätzlich feucht aufzuwischen und die Decken der Kranken glattzuziehen. Den Saal betraten gewöhnlich zwei SS -Leute, begleitet vom Blockältesten und den Häftlingsärzten. Der Saalälteste rief laut »Achtung!« und meldete dem SS -Arzt die Belegung. Nach einer oberflächlichen Durchsicht der Kranken auf den Pritschen nahmen die SS -Leute dann auf Lagerhockern hinter einem extra aufgestellten Tisch am Fenster in der Mitte des Saales Platz. Sie verlangten die Krankenkarten der Häftlinge und sahen sie durch. Der polnische Häftlingsarzt, der den Schonungssaal betreute, nahm diese Karten der Reihe nach vom Blockschreiber Glowa in Empfang und reichte sie dem SS -Arzt Entress.
    Der Saalälteste rief einzeln die Häftlingsnummern auf. Die nicht so schweren Fälle kamen selber zum Arzt, den Schwächeren mußte geholfen werden. An einem Arm festgehalten oder von hinten gestützt, wurden sie zum Arzt geführt. Die Kranken stellten sich in Reihen auf und traten einzeln an den Tisch. Der SS -Arzt bekam die Krankenkarten der Aufgerufenen, und nach ganz kurzer Durchsicht, manchmal nach einem einzigen Blick, entschied er über das Schicksal der Patienten. Vergeblich riskierten die polnischen Ärzte eine Bemerkung über die guten Aussichten und den verbesserten Gesundheitszustand des Kranken. Der seitlich stehende SS -Sanitäter, gewöhnlich Sanitätsdienstgrad ( SDG ) Klehr, sammelte immer mehr Krankenkarten von Ausgesonderten in seiner Hand. Man konnte sich leicht denken, daß anhand dieser Karten Todesmeldungen geschrieben wurden. Auch ich zählte zu den Kranken. Als meine Nummer aufgerufen wurde, zog ich also das Hemd aus und ging voller Angst mit meiner Karteikarte zu dem SS -Mann. Ich vernahm ein »Hau ab!« und meine Karte wanderte zum Arzt in Häftlingskluft. Das bedeutete, daß ich weiter im Krankenbau bleiben durfte. Die Visite dauerte etwa eine halbe Stunde. Für mehr als 40  Kranke aus dem Schonungssaal bedeutete sie das Todesurteil. Alle schlecht aussehenden Opfer, auch die aus den anderen Räumen, wurden der Gruppe aus dem Schonungssaal zugeordnet, auf Kraftwagen verladen und nach Birkenau gebracht. Dort vergaste man sie, und die Leichen, von denen es jeden Tag mehr gab, wurden verbrannt.
    Anstelle der Ausgesonderten wurden neue Patienten aufgenommen. Unter ihnen befand sich ein junger, trotz des geschorenen Kopfes sehr attraktiv aussehender Häftling, der die obere Pritsche neben der bekam, auf der ich nach der Arbeit schlief. Der Neue hatte die Häftlingsnummer 33 187 und hieß Mieczyslaw Wȩgrzyn. Er war ein Sohn des berühmten polnischen Schauspielers Józef Wȩgrzyn. Wir freundeten uns ziemlich schnell an. Er war älter als ich und sehr belesen. In der Freizeit konnte ich mich etwas mit ihm unterhalten. Leider dauerte das nur sehr kurz. Einige Tage nach

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