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Aus der Hölle zurück

Aus der Hölle zurück

Titel: Aus der Hölle zurück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tadeusz Sobolewicz
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rum! Was tut dir weh?« – »Das weiß ich selber nicht. Mir dreht sich alles im Kopf und überhaupt …« Der Weißgekleidete verlor die Geduld, denn auf dem Flur warteten noch viele. »Zum Teufel mit diesen Zugängen! Hier ist kein Sanatorium, sondern ein Lager, du Grünschnabel! Wie oft hast du geschissen? Na, über Nacht?« – »Wohl dreimal«, gab ich entsetzt zurück. »Nimm ihn als Durchfall!« wies er jemand anders an. Der führte mich hinaus und brachte mich zum Bad, wo bereits andere Patienten unter der Brause standen. Ich sollte mich ausziehen und duschen. Ich kam der Anweisung nach und stand mit unsagbarem Vergnügen unter der warmen Brause. Innerlich wurde ich von Freude ergriffen. Ich lebte! Für eine Weile hatte es mich nicht gegeben, aber nun war ich wieder da, und vielleicht würde ich weiter existieren. Unter dem Einfluß des warmen Wassers begann der Körper anders zu pulsieren. Auf den Befehl »Raustreten!« hin trocknete ich mich mit einem richtigen Handtuch ab und zog die frisch ausgehändigte Wäsche – Unterhose und Hemd – über. Derjenige, der mich ins Bad geführt hatte, tauchte wieder auf. Ich mußte mich in eine Decke hüllen, die er mitgebracht hatte, und auf dem Flur in die ersten besten Holzpantinen steigen. Dann befahl er mir, mich einer Häftlingsgruppe anzuschließen, die vor dem Block stand.
    Es schneite jetzt in dichten Flocken, und der Wind peitschte mitleidslos durch uns. Mich ergriff eine entsetzliche Kälte. Aber das mußte man eben ertragen. Wir warteten, bis sich noch zwei kranke Nachzügler der Gruppe anschlossen, und dann schlurften wir, in Decken gehüllt, mit dem Pfleger zum Block 19 , der Durchfallstation.
    Dort stank es entsetzlich, es stach einem in der Nase. Nach einiger Zeit wurden unsere Nummern und Namen aufgeschrieben. Dann durften wir uns zu zweit auf eine Pritsche legen. Dort gab es einen Strohsack, ein sauberes Laken, ein das Kopfkissen ersetzendes Keilkissen und gereinigte, noch nach Desinfektion riechende Decken. Nach dem mehrwöchigen Aufenthalt in den Blocks der Arbeitskommandos, wo ich unter den ständig schreienden, antreibenden und auf uns eindreschenden Funktionshäftlingen viel Prügel bezogen hatte, kam ich mir auf der Pritsche wie im Paradies vor.
    Damals hatte ich keine Ahnung davon, was der Lagerkrankenbau eigentlich bedeutete. Auf allen Pritschen lagen Häftlinge, meist zu zweit. Der Saal war mit Kranken überfüllt, aber niemand lief mit dem Knüppel herum und prügelte sie zu Tode – das war am wichtigsten. Es schien eine andere Welt zu sein, in der einem Bauhof und Soła-Grube wie ein schlimmer Traum vorkamen. Doch wie war ich naiv! Wie oft läßt man sich durch den Schein blenden. Eine Zeitlang hatte ich jedoch noch falsche Vorstellungen.
    Morgens weckte mich mein Pritschengefährte. »Der Kaffee wird ausgegeben«, sagte er. Zu den mehrstöckigen Pritschen kam irgendein Häftling und verteilte in Schüsseln eine warme Flüssigkeit, die Kaffee genannt wurde. Es war aber nur der übliche Ersatz, der mit Kaffee nichts gemein hatte. Was mich verwunderte, war, daß man uns das Essen hier an die Pritschen brachte. Man mußte nicht zum Appell aufstehen, man mußte sich nicht wegen einer Schüssel Essen anstellen, und man mußte nicht zur Arbeit.
    Nach einiger Zeit kam ein Häftling in weißer Kleidung, der als Pfleger bezeichnet wurde. Er gab mir ein Thermometer, um die Temperatur zu messen. Als er das Thermometer wieder abholte, blickte er mich forschend an und sagte: »Der Arzt wird dich untersuchen. Mal sehen, was wir mit dir machen.« Es verging wiederum ein Weilchen, und dann trat lächelnd ein sympathischer Arzt, der Pole T. Szymański, an meine Pritsche. Nach der allgemeinen Untersuchung und dem Abhören des Herzens entschied er sich, mich zu durchleuchten. Abends kam er selbst. Er befahl mir, eine Decke überzuwerfen und in den unteren Flur des Blocks zu gehen. Da ich zu schwach war, nahm er mich auf den Rücken und brachte mich zum Block 28 . Dort wurde eine Röntgenaufnahme gemacht. Die nächsten zwei Tage lag ich auf der Durchfallstation. Nach der weiteren Visite eines Arztes (Dr. Galka) wurde bei mir Fleckfieberverdacht festgestellt. Ich wurde in den Block 20 , einen Infektionsblock, verlegt und im Saal Nr.  4 untergebracht. Hier war ein alter Häftling des ersten Transports, Józef Hordyński, Saalältester. Unter den Kranken entdeckte ich zu meiner Verwunderung Major Kosiba, der zusammen mit meinem Vater den Bund des

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