Aus der Welt
willkommen. Zwei Wochen vergingen, und ich stand kurz davor sie anzurufen, als ich eine Postkarte von ihr bekam:
Jane,
ich halte einen Besuch derzeit wirklich nicht für angebracht. Vielleicht werde ich meine Meinung eines Tages ändern, dann melde ich mich.
Alles Gute,
Mutter
PS: Bitte versuch nicht, mich umzustimmen. Ich weiß, wozu ich in der Lage bin und wozu nicht.
Ich nahm sie beim Wort und versuchte nicht mehr, sie zu einem Besuch zu bewegen. Dafür schickte ich ihr regelmäßig neue Fotos von Emily und legte eine kleine Karte dazu, auf die ich ein paar neutrale Sätze kritzelte wie: »Vielleicht freust Du Dich zu sehen, wie schnell Deine Enkelin groß wird.«
Mom antwortete jedes Mal mit einer kurzen Karte und kommentierte Emilys Ausstrahlung, Schönheit und so weiter. Aber sie blieb bei ihrer Entscheidung, nichts mit mir zu tun haben zu wollen … bis zu der Woche, bevor Christy kam. Da rief sie mich plötzlich an.
»Ich mache es kurz«, sagte sie vollkommen geschäftsmäßig. »In mir wächst etwas, das außer Kontrolle geraten ist. Der Arzt will, dass ich ins Krankenhaus nach Stamford gehe, um dort mehrere Untersuchungen vornehmen zu lassen. Ich dachte, du solltest das wissen.«
»Wie schlimm ist es?«, fragte ich.
»Jetzt tu nicht so besorgt, Jane …«
»Das ist nicht fair, und das weißt du auch. Ich war immer besorgt um dich. Du hast diese Mauer zwischen uns aufgebaut.«
»Das ist wohl Auslegungssache.«
»Nun, darf ich dich besuchen, während die Untersuchungen gemacht werden?«
»Ich wüsste nicht, warum.«
»Wenn das so ist – warum erzählst du mir überhaupt davon?«
»Weil ich vielleicht sterben werde – und meine Tochter sollte das wissen.«
Sie legte auf. Eine Stunde später, in der ich mit Wut und Schuldgefühlen gekämpft hatte, rief ich sie zurück. Sie ging nicht ans Telefon, also hinterließ ich eine Nachricht. Vierundzwanzig Stunden vergingen, ohne dass ich von ihr hörte. Ich rief erneut zu Hause an, hinterließ eine weitere Nachricht, rief dann die Bibliothek an und sprach mit einer von Mutters Kolleginnen. Mom war ins Stamford Medical Center eingeliefert worden, und ihre Kollegin deutete an, dass es nicht gut für sie aussähe.
»Wieso haben wir Sie so lange nicht mehr gesehen?«, fragte sie.
»Das ist eine lange Geschichte.«
Ich rief sofort im Stamford Medical Center an und bat darum, zu ihrem Zimmer durchgestellt zu werden. Mom ging nach dem zweiten Klingeln dran.
»Ich dachte mir schon, dass ich von dir hören werde, nach den vielen Nachrichten, die du hinterlassen hast. Na, hast du ein schlechtes Gewissen, weil du mich all die Jahre im Stich gelassen hast?«
»Wie geht es dir«?, fragte ich schließlich.
»Ich weiß nur so viel: Ich kann deine Gesellschaft im Moment nicht gebrauchen, Jane.«
Ich spielte mit dem Gedanken, alles stehen und liegen zu lassen und zu ihr zu fahren, aber meine Seminare und eine nicht vorhandene nächtliche Kinderbetreuung sprachen dagegen. An dem Vormittag, an dem Christy kam, rief mich eine Dr. Sandy Younger im Büro an.
»Ihre Mutter hat mir diese Nummer gegeben«, sagte sie. »Als sie vor Wochen mit der Chemotherapie begann. Sie bat mich, Sie erst anzurufen, wenn es dem Ende zugeht.«
Das erwischte mich kalt. Obwohl ich aus ihren wenigen Worten wusste, dass sie Krebs im Endstadium hatte, fühlte es sich an, als legte sich eine knochige, kalte Hand um meinen Nacken, als ich es von der Ärztin erfuhr.
»Wie viel Zeit bleibt ihr noch?«, fragte ich.
»Vielleicht ein Monat, höchstens. An Ihrer Stelle würde ich so schnell wie möglich herkommen. In diesem Krebsstadium kann sich ihr Zustand sehr schnell verschlechtern. Entschuldigen Sie bitte, dass ich mich einmische. Aber da Sie und Ihre Mutter sich anscheinend etwas auseinandergelebt haben …«
»Das war ihre Entscheidung, nicht meine«, hörte ich mich sagen.
»Alles hat zwei Seiten. Ich kann Ihnen nur raten, sich jetzt mit ihr auszusöhnen. Dann werden Sie es später leichter verkraften, wenn Sie noch einen guten …«
Ich wusste, welches Wort als Nächstes kam: »Abschluss.« Ein Wort, das mich wahnsinnig machte, weil es suggerierte, man könne bestimmte Dinge tatsächlich ad acta legen, Gefühle von Verlust und Schmerz plötzlich einordnen und abhaken. Ein Geschäft kann man zum Abschluss bringen, aber doch nicht so etwas.
»… Abschluss finden, bevor Sie verstirbt.«
»Na gut, ich fahre morgen zu ihr«, sagte ich.
Als ich Christy davon erzählte, sagte sie
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