Aus der Welt
klingelte es erneut, diesmal kam der Anruf über das Festnetz. Ich kontrollierte zweimal, ob der Ton des Anrufbeantworters ausgeschaltet war. Als es klingelte und klingelte, hörte auch das Handy nicht auf zu klingeln. Emily lächelte in diese Kakofonie hinein und sagte: »Viele Leute wollen Mommy sprechen.«
Ich war so gefragt, dass beide Telefone die nächsten zehn Minuten lang durchklingelten, bis ich so klug war, das Festnetztelefon auszustecken und das Handy auszuschalten. Nachdem ich Emily ins Bett gebracht und mir einen doppelten Whiskey eingeschenkt hatte, rief ich Christy in Oregon an. Ich erwischte sie in ihrem Büro.
»Ich habe dir wie immer eine ziemlich heftige Geschichte zu erzählen.«
Und wie immer strömte alles nur so aus mir heraus.
»Guter Gott«, sagte sie, als ich gerade an dem Punkt angelangt war, dass Theo und Adrienne ans Ende der Welt verschwunden waren oder wo immer sie sich gerade aufhielten.
»In Marokko wahrscheinlich«, sagte Christy. »Da kann man gut untertauchen – und nach Südfrankreich ist es auch nicht weit, wenn man mal kurz übers Mittelmeer will, um was Anständiges zu essen.«
»In Marokko kann man bestimmt auch hervorragend essen«, sagte ich. »Vor allem auf Kosten fremder Leute.«
»Du meinst, vor allem auf deine Kosten.«
»Ich bin fest davon überzeugt, dass mein ganzes Geld weg ist. Und jetzt werden mir ihre Gläubiger auch noch die Wohnung wegnehmen.«
»Nein, das werden sie nicht.«
»Wie kannst du dir da so sicher sein?«
»Weil ich das nicht zulassen werde. Außerdem bin ich mir ziemlich sicher, dass das Gericht in deinem Sinne entscheiden wird, so wie es dir dein Anwalt versprochen hat. Und dann bist du die Meute los.«
»Und wenn nicht? Wenn die Sache anders ausgeht?«
»Dann wirst du auch irgendwie überleben – wie wir alle. Wenn du die Wohnung verlierst, wirst du dir eine neue Wohnung suchen. Und wenn du einen Offenbarungseid ablegen musst, um deine Schulden zu bezahlen, wirst du da auch wieder rauskommen. Das ist alles sehr ungerecht, ich weiß. Aber das Leben ist oft ungerecht. Ungerecht, unfair und mehr als nur ein bisschen grausam.«
Grausamkeit schien auch die Spezialität eines gewissen Morton Bubriski zu sein. Er war der Vermieter von Fantastic Filmworks in Cambridge und fest entschlossen, sich die Mietrückstände von 19 000 Dollar zurückzuholen. Da er meine Nummer im Telefonbuch gefunden hatte, begann er mich zu terrorisieren – Vicky Smathersons wutentbrannte Anrufe waren harmlos dagegen. Das erste Mal rief er mich eines Abends gegen dreiundzwanzig Uhr zu Hause an. Da ich mit einem Rückruf von Christy rechnete (ich hatte ihr kurz vorher eine Nachricht auf die Mailbox gesprochen), ging ich, ohne nachzudenken, ans Telefon.
»Hier spricht Morton Bubriski, Sie schulden mir 19756 Dollar. Ich weiß, dass Sie Geld haben, schließlich sind Sie Dozentin an der New England State. Und ich weiß auch, wo Sie in Somerville wohnen und dass Ihnen die Wohnung gehört. Ich weiß sogar, in welche Krippe Sie Ihre Tochter jeden Morgen bringen …«
In dem Moment legte ich auf. Eine halbe Minute später klingelte das Telefon erneut. Als der Anrufbeantworter dranging, begann er zu toben.
»Jetzt hör mir mal gut zu, du kleine Schlampe! Wenn du noch einmal auflegst, werde ich dir nicht nur deine Karriere versauen, sondern auch dein sonstiges Leben. Deine Partner haben mich total verarscht. Und jetzt hole ich mir mein Geld zurück. Wenn du nicht bezahlst …«
Ich griff zum Telefon und schrie: »Wenn Sie mir noch einmal drohen, steht morgen die Polizei bei Ihnen vor der Tür.«
Dann riss ich das Kabel aus der Wand.
»Du schreist schon wieder!«, sagte Emily.
»Jetzt hör ich damit auf.«
Die restliche Nacht über ließ ich beide Telefone ausgeschaltet, konnte aber trotzdem nicht schlafen. Mein erschöpftes, hyperaktives Hirn malte mir die Gerichtsprozesse aus, denen ich mich stellen musste, und die öffentliche Schande, aus der Wohnung geworfen zu werden, die anschließend zwangsversteigert würde. Die Uni würde bestimmt bald von meiner finanziellen Notlage erfahren, und auch das würde sich gegen mich wenden: ein weiterer Beleg dafür, dass ich nur Ärger brachte.
Wie sich herausstellte, musste ich nicht lange warten, bis die Universität merkte, dass ich zur Zielscheibe eines Mobs von Gläubigern geworden war. Der reizende Morton Bubriski rief nämlich gleich am nächsten Morgen die Anglistik-Fakultät an und überschüttete Professor
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