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Aus der Welt

Aus der Welt

Titel: Aus der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Kennedy
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Route 202, kurz vor Mountain Falls. Erinnern Sie sich?«
    »Äh … verschwommen. Ich habe die Kontrolle über …«
    Ich verstummte.
    »Sie haben die Kontrolle über Ihren Wagen verloren, nachdem Sie eine beinahe tödliche Dosis Schlaftabletten genommen haben und unangeschnallt in eine Schneewehe gefahren sind. Und dass der Airbag deaktiviert und die Autoheizung ausgestellt waren, ist wahrscheinlich ein unglücklicher Zufall, wo es doch vorgestern nur fünf Grad minus hatte.«
    »Ich habe die Kontrolle verloren …«
    »Ich weiß«, sagte sie, schon etwas milder. »Wir alle wissen das. Und wir wissen auch, warum.«
    »Woher …«
    Wieder schaffte ich es nicht, meinen Satz zu beenden.
    » Woher wir das wissen? Sie hatten Ihren Geldbeutel dabei. Mit seiner Hilfe konnten Sie von den Polizisten, die Sie fanden, identifiziert werden. Diese haben Ermittlungen angestellt, schließlich sind sie Polizisten. Sie haben herausgefunden, was sie wissen mussten – und uns Ihre Lage erklärt. Deshalb haben wir Sie auch festgegurtet. Als Vorsichtsmaßnahme – falls Sie vorhaben, sich erneut etwas anzutun.«
    Ich schloss mein Auge und ließ ihre Worte auf mich wirken. Sie wissen Bescheid. Sie wissen alles.
    »Ich bin übrigens Schwester Rainier. Rainier wie der Berg im Staate Washington. Janet Rainier. Ich bin hier die Oberschwester. Wissen Sie, auf welcher Abteilung Sie liegen?«
    »In der Psychiatrie …«
    »Sie haben’s erfasst. Sie sind in der Psychiatrie – und stehen als Selbstmordgefährdete unter Beobachtung. Wenn ich mich nicht täusche, haben Sie spontan beschlossen, allem ein Ende zu machen. Schließlich hätten Sie mit dem Zopiclon und einer Flasche Whiskey auch in ein Motel gehen und es sich ein wenig gemütlicher machen können. Aber Sie haben sich für eine schnelle Sofortlösung entschieden, stimmt’s?«
    Ich schloss mein Auge und wandte mich ab.
    »Ich bin ein wenig grob, was? So regle ich das eben. Ich kann gut verstehen, dass Sie jetzt glauben, ich hätte die Sensibilität einer Dampfwalze, aber so bin ich nun mal. Solange Sie auf meiner Station sind, werden Sie sich an meine direkte Art gewöhnen müssen. Mein Ziel besteht nämlich darin, Sie zu entlassen, ohne dass Sie gleich wieder in die nächste Schneewehe rasen wollen, verstanden?«
    Ich hielt den Kopf nach wie vor abgewandt.
    »Verstanden?«
    Sie hatte kein bisschen lauter gesprochen, brachte mich aber trotzdem aus der Fassung.
    Ich nickte.
    »Gut. Darf ich Ihnen noch eine Frage stellen? Wenn ich Ihre Arme von den Gurten befreie – werden Sie dann brav mitspielen und nichts Unüberlegtes tun? Sie tun sich keine Gewalt an, versprochen?«
    Ich nickte erneut.
    »Ich hätte gern, dass Sie das laut sagen.«
    Ich brauchte einen Moment, um meine Sprache wiederzufinden. Als ich anfing zu sprechen, bereiteten mir die Lippenbewegungen furchtbare Schmerzen.
    »Ich verspreche es.«
    »Wir ziehen an einem Strang – und ich freue mich sehr, Ihre Stimme zu hören, Frau Professor Howard.«
    Frau Professor.
    »Meine nächste Frage lautet: Möchten Sie versuchen, etwas mit dem Strohhalm zu trinken? Die Sonde, die in Ihren rechten Arm führt, hält Sie am Leben, aber künstliche Ernährung ist nur ein schlechter Ersatz. Sie sind ganz allein auf der Station – dafür, dass die Leute in Montana im Winter stets eine Schraube locker haben, ist hier eigentlich überraschend wenig los. Ich könnte Ihnen also schnell was Leckeres, Mildes zusammenrühren. Einen Vanille-Shake zum Beispiel. Na, was sagen Sie dazu?«
    Ich nickte.
    »Laut, bitte.«
    »Ja, danke«, sagte ich.
    »Noch zwei Worte. Ich bin beeindruckt.«
    »Können Sie den Katheter entfernen?«, fragte ich.
    »Noch fünf Worte. Sie bekommen von Minute zu Minute mehr Fleißpunkte. Ja, ich kann Ihnen den Katheter entfernen – aber erst, wenn wir überprüft haben, dass Sie laufen können.«
    »Was?«, sagte ich, plötzlich entsetzt.
    »Sie haben sich das linke Schienbein gebrochen. Deshalb ist es eingegipst. Unser Orthopäde meint, dass der Gips in maximal vier Wochen runterdarf. Aber wir dürfen Sie nicht aufs Klo lassen, bevor wir nicht wissen, ob Sie sich auf den Beinen halten können. Natürlich könnten wir Ihnen auch eine Bettpfanne geben …«
    Ich spürte mein linkes Bein wieder. Die Schwere, die ich zuerst wahrgenommen hatte, kam vom Gips.
    »Ich nehme auch eine Bettpfanne.«
    »Dann entferne ich Ihnen den Katheter.«
    Sie kam zum Bett und löste die Gurte. Obwohl ich zwei Tage lang bewusstlos gewesen war,

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