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Aus der Welt

Aus der Welt

Titel: Aus der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Kennedy
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gehen, müssen Sie einfach weitergehen. Ich an Ihrer Stelle, würde durchaus darüber nachdenken, eine Weile zu meiner Freundin nach Oregon zu ziehen.«
    Christy hörte nicht auf, täglich im Krankenhaus anzurufen – und ich hörte nicht auf, mich ihren Anrufen zu verweigern. Ich weigerte mich auch, noch einmal mit Mr Alkan zu sprechen – obwohl er ebenfalls regelmäßig anrief.
    Wenn Sie durch die Hölle gehen, müssen Sie einfach weitergehen …
    So lange, bis man einfach beschließt, sich nicht mehr vorzumachen, dass die Agonie mit der Zeit erträglich wird – und sich ins Unvermeidliche schickt.
    Also zählte ich die verbleibenden Tage. Ich nahm meine Medikamente, ging zu meinen Sitzungen mit Dr. Ireland und machte noch intensivere physiotherapeutische Übungen, nachdem man meinen Gips abgenommen hatte. Ich gewöhnte mein geschädigtes Auge ohne Verband ans Leben. Und in dieser ganzen Zeit bereitete ich mich auf das Ende vor, um das ich nicht herumkam.
    Und so geschah es, dass mein Heilungsprozess – genau achtundzwanzig Tage nach meinem »Unfall« – für abgeschlossen erklärt wurde. An dem Tag, als ich das Krankenhaus verließ, hatte ich noch ein letztes längeres Gespräch mit Dr. Ireland. Sie hatte zweifellos Angst um mich.
    »Ich bedaure es sehr, Sie entlassen zu müssen, Jane. Sollten Sie, egal wann, auch mitten in der Nacht, das Gefühl haben, weder ein noch aus zu wissen, müssen Sie mich anrufen, damit wir darüber reden.«
    »Klar«, sagte ich.
    »Ich wünschte, ich könnte Ihnen glauben.«
    »Was glauben?«
    »Glauben, dass Sie sich nicht der Verzweiflung überlassen. Wir alle dürfen die Hoffnung nie aufgeben … so widrig die Umstände auch sein mögen.«
    »Ich werd’s mir merken.«
    Ich bestellte ein Taxi. Schwester Pepper bestand darauf, mich ein letztes Mal zu baden – und wünschte mir, »die wohlwollende Hand einer höheren Macht« möge mich lenken. Schwester Rainier bestand darauf, mich zum wartenden Taxi zu begleiten. Als der Fahrer meinen Koffer einlud und mir auf den Rücksitz half, drückte sie mir einen schlichten Holzstock in die Hand.
    »Das ist mein kleines Abschiedsgeschenk. Etwas, das Ihnen Halt gibt.«
    »Danke … für alles«, sagte ich.
    »Ich will Ihren Dank nicht. Ich will nur, dass Sie weiterleben.«
    Ich bat den Taxifahrer, mich zu einem Holiday Inn am Rande von Mountain Falls zu bringen. Auf dem Weg dorthin bat ich ihn, an einer Apotheke zu halten. Dort kaufte ich eine Flasche mit hundertzwanzig Paracetamol-Tabletten. Dann fuhren wir zu einer Spirituosenhandlung, wo ich eine Dreiviertelliterflasche Wodka erwarb.
    Der Typ bestand darauf, mir die Tüten zu tragen, ja er nahm sogar meinen Arm, als ich mich auf den Stock stützte und zur Rezeption humpelte.
    »Wie viele Nächte wollen Sie bleiben?«, fragte mich die Frau dahinter.
    »Nur eine«, sagte ich.
    »Haben Sie kein Auto?«
    »Nein.«
    Das Holiday Inn war eher ein Motel – man fuhr mit dem Wagen bis vor das Zimmer. Der Taxifahrer – ein Mann um die vierzig, mit schütterem Haar im Baumwollhemd – ließ es sich nicht nehmen, mich bis zur Tür zu bringen und mir ins Zimmer zu helfen. Es war ein klassisches Holiday-Inn-Hotelzimmer mit scheußlichen Tapeten, einem scheußlichen Teppich und einem scheußlichen Bettüberwurf. Ich nahm zwei Zwanzigdollarnoten aus meinem Bündel Scheine und gab sie ihm.
    »Die Fahrt kostet nur zwanzig«, sagte er.
    »Nun, Sie verdienen vierzig.«
    Er wirkte beunruhigt, als er sich von mir verabschiedete – so als ahnte er, was ich vorhatte, und machte sich Sorgen um mich. Sobald er weg war, rief ich an der Rezeption an und fragte, ob sie zufällig Klebeband hätten, da ich einen kaputten Koffergriff reparieren wolle.
    »Sie haben Glück«, sagte die Frau. »Vor ein paar Tagen war der Elektriker da, er hat eine Rolle dagelassen.«
    Auf meinen Stock gestützt humpelte ich zurück zur Rezeption und holte sie.
    »Würden Sie sie mir bitte morgen vor dem Auschecken wiedergeben?«, bat sie mich. »Nur für den Fall, dass sie der Kerl vermisst.«
    »Kein Problem«, sagte ich.
    Ich kehrte auf mein Zimmer zurück. Ich legte die Tabletten und das Klebeband in die Nachttischschublade. Ich fand einen Plastikwäschesack auf einem Regalbrett im Schrank. Ich holte die Tabletten, die Plastiktüte und das Klebeband.
    Bring es so schnell wie möglich hinter dich, bevor du es dir anders überlegst. Schenk dir drei Fingerbreit Wodka ein, um deine Nerven zu beruhigen, nimm die Tabletten – zehn auf

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