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Aus der Welt

Aus der Welt

Titel: Aus der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Kennedy
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vielleicht nicht unbedingt ratsam ist.«
    »Danke.«
    »Sie hat mir erzählt, dass sie in Oregon lebt. Das ist nicht einmal eine Tagesreise von hier entfernt.«
    »Ich bin noch nicht so weit, sie sehen zu wollen.«
    »Aber sie meinte, sie wäre bei Ihnen gewesen, in den Wochen nach Emilys …«
    »Stimmt«, sagte ich und schnitt ihr das Wort ab. »Aber das war einmal. Und jetzt …«
    »Haben Sie wegen Ihres missglückten Selbstmordversuchs Angst, sie wiederzusehen?«
    »Ja, genau. Aber auch, weil …«
    »Ja?«
    »Weil ich … weil ich die Freundlichkeit anderer nicht gebrauchen kann.«
    »Sie meinen, dass Sie sie nicht verdienen, weil Sie sich fälschlicherweise immer noch die Schuld an …«
    »Sie werden mich nicht vom Gegenteil überzeugen. Ich weiß, was passiert ist. Und dafür gibt es keine Entschuldigung.«
    Sie griff unter ihren Stuhl und zog Block und Füller hervor. Sie schraubte den Füller auf und begann, etwas auf den Block zu zeichnen. Dann zeigte sie mir das Ergebnis – einen kleinen schwarzen Punkt, der von einem großen Kringel umgeben war.
    »Wissen Sie, was das ist?«, fragte sie.
    »Ich habe keine Ahnung.«
    »Der schwarze Punkt ist die Welt. Und der Kringel ist der Kummer, unter dem Sie leiden. Mit anderen Worten, Ihr Kummer sorgt dafür, dass die übrige Welt verschwindend klein wird.«
    Sie blätterte um und begann erneut zu zeichnen. Dann zeigte sie mir das neue Diagramm: ein Kringel derselben Größe, aber ein schwarzer Punkt, der jetzt dreimal so groß war.
    »Nun, mit der Zeit – und wie ich in unseren Sitzungen bereits mehrmals sagte, muss ziemlich viel Zeit vergehen – wird Ihr Kummer zwar derselbe bleiben, aber die Welt wird größer werden. Und wenn das geschieht …«
    »Herrscht wieder Friede, Freude, Eierkuchen?«
    »Nein. Aber das Leben wird weitergehen und Sie zwingen, darauf zu reagieren. Die Welt wird Ihnen größer vorkommen.«
    Alles Quatsch.
    Aber ich sagte nichts, sondern zuckte nur die Achseln.
    »Und bis es so weit ist«, sagte Dr. Ireland, »wird Ihnen jede Hilfe guttun, die Sie bekommen können.«
    »Sie meinen, nachdem mich die Krankenversicherung hier rauswirft.«
    »Ihre körperliche Verfassung hat sich stark verbessert. Laut Dr. Menzel wird Ihr Auge schon in wenigen Wochen wieder voll funktionsfähig sein – und auch der Orthopäde ist mit Ihren Fortschritten sehr zufrieden. Aber ich befürchte, dass Sie auf psychischer Ebene einen Rückfall erleiden, sobald Sie allein sind …«
    »Wie Sie bereits sagten, so einfach lässt sich das nicht ›reparieren‹.«
    »Wie wär’s, wenn Sie eine Weile bei Christy Unterschlupf suchen würden?«
    »Auf keinen Fall«, sagte ich.
    »Lassen Sie mich doch bitte ausreden. Christy meinte, in ihrem Haus in Eugene, Oregon, sei jede Menge Platz. Sie könnte sofort kommen, um Sie abzuholen, und Sie so lange beherbergen, bis Sie …«
    »Ich möchte niemandem zur Last fallen.«
    »Es geht nicht darum, ob Sie jemandem zur Last fallen oder nicht. Es geht, krass gesagt, darum, Sie vor sich selbst zu schützen.«
    »Na dann, viel Glück«, sagte ich.
    Ich blieb stur. Obwohl Christy jeden Tag versuchte, mich zu erreichen, weigerte ich mich, ihre Anrufe entgegenzunehmen. Außerdem teilte ich Schwester Rainier mit, dass ich Christy nicht »empfangen« würde, falls sie vor dem Krankenhaus auftauchen sollte.
    »Weil Ihre Majestät was Besseres vorhaben«, sagte Schwester Rainier. »Nämlich in Selbstmitleid versinken.«
    »Denken Sie doch, was Sie wollen.«
    »Das tue ich auch, glauben Sie mir. Zumal ich ganz genau weiß, was Sie durchmachen – und wie einfach es ist, zu glauben, die totale Abschottung sei die einzige Lösung. Aber ich habe gelernt, dass man beim Gang durch diese Hölle nichts anderes tun kann, als weiterzugehen.«
    »Ich werde für immer in der Hölle schmoren.«
    »Wenn Sie das glauben möchten – und wenn Sie eine einfache Antwort hören wollen, kann ich in der nächsten halben Stunde zwölf Gottesmänner hierherbestellen, die Ihnen jede Menge vom Paradies erzählen werden, zu dem Sie Zutritt erhalten, sobald Sie Jesus Christus folgen. Sie werden Ihnen wahrscheinlich weismachen, dass Sie, wenn Sie erst einmal im Jenseits sind, Ihre Tochter …«
    »Warum tun Sie das?«
    »Weil ich es am eigenen Leib erlebt habe, deswegen. Ich kann Ihnen keine Binsenweisheiten erzählen, Doktor Howard. Ich kann Ihnen keine großen Hoffnungen machen. Ich kann Ihnen nur sagen, was ich Ihnen soeben gesagt habe: Wenn Sie durch die Hölle

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