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Aus der Welt

Aus der Welt

Titel: Aus der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Kennedy
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immerhin war es kein Typ, der Ihnen das angetan hat.«
    Nachdem ich 50 Dollar gezahlt und January noch zehn Dollar Trinkgeld gegeben hatte (sie staunte aufrichtig über so viel Großzügigkeit), bedankte ich mich bei ihr und ging. Ein paar Häuser weiter gab es eine gut sortierte Buchhandlung. Dazu gehörte ein Café mit einer großen Auswahl an Zeitungen und Zeitschriften. Ich wählte einige dicke Wälzer aus: Stendhals Rot und Schwarz , Thomas Pynchons V. Rauch (wollte ich schon immer lesen), John Cheevers gesammelte Kurzgeschichten. Außerdem erwarb ich noch verschiedene Zeitschriften. Dann entdeckte ich ein kleines Diner mit ansprechender Speisekarte. Ich bestellte einen Teller Pasta und ein Glas Wein. Gegen drei war ich wieder im Holiday Inn. Ich las meine Zeitschriften. Der Nachmittag ging in den Abend über. Ich hörte mir auf NPR ein Konzert des Chicago Symphony Orchestra an. Ich las eine der Cheever-Geschichten und staunte über seine Fähigkeit, inmitten des Vorstadtelends und bei allem Frust noch so viel Wehmut aufbringen zu können. Das Mirtazapin tat seine magische Wirkung. Der Radiowecker weckte mich um sieben. Ich duschte, zog eine neue Jeans, ein T-Shirt und einen schwarzen Rolli an.
    Schau nach vorn! Schau nach vorn! Das war die einzige Möglichkeit.
    Also knüllte ich meine letzten Klamotten zusammen und warf sie in den Papierkorb neben dem Schreibtisch. Ich griff nach meinem Laptop und ging nach draußen. Das Zimmermädchen – eine Südamerikanerin von Mitte dreißig – schob ihren Putzwagen von Zimmer zu Zimmer.
    »Hallo«, sagte ich.
    Das Zimmermädchen sah mich fragend an.
    »Sie wünschen?«, fragte es.
    »Ich überlege gerade … ob Sie vielleicht einen Computer gebrauchen könnten?«
    Sie sah mich erst verblüfft und dann zunehmend verständnislos an, als ich ihr erklärte, dass ich diesen Laptop loswerden wollte – ob sie ihn mir vielleicht abnehmen würde?
    »Sie wollen ihn mir verkaufen?«
    »Nein, er ist ein Geschenk.«
    »Stimmt damit irgendetwas nicht?«
    »Nein, gar nicht – ich habe sogar meine sämtlichen Dateien von der Festplatte gelöscht. Er ist also wie neu.«
    »Ist da was Schlimmes drauf?«
    »Wie gesagt, ich brauche ihn nur nicht mehr.«
    »Jeder braucht einen Computer.«
    »Stimmt. Trotzdem …«
    Ich begriff, dass ich mir etwas Besseres einfallen lassen musste, damit sie mich nicht für verrückt, gefährlich oder beides zugleich hielt.
    »Ich trete nächste Woche eine neue Stelle an, und da bekomme ich einen neuen Computer, ich habe für diesen hier also keine Verwendung mehr. Wenn er Ihnen gefällt …«
    »Wollen Sie mir was anhängen?«
    »Wissen Sie was? Nehmen Sie ihn doch einfach. Nehmen Sie ihn mit nach Hause. Öffnen Sie ihn. Sehen Sie ihn sich an. Sie werden feststellen, dass er kein dunkles, gefährliches Geheimnis enthält. Wenn Sie ihn trotzdem nicht wollen, können Sie ihn verkaufen und ein bisschen Geld dafür bekommen.«
    Wieder musterte sie mich misstrauisch.
    »Sind Sie verrückt, Lady?«
    »Ich gebe Ihnen nur etwas, ohne etwas dafür zu verlangen.«
    »Sie müssen verrückt sein.«
    Ich hielt ihr den Computer hin. Das Zimmermädchen zögerte, griff dann aber doch danach.
    »Machen Sie das oft?«, fragte es.
    »Das ist das erste Mal. Ich hoffe, Sie können etwas damit anfangen.«
    Das war das letzte Überbleibsel aus meiner Vergangenheit. Ich kehrte in mein Zimmer zurück, zog den Reißverschluss meiner neuen Reisetasche auf Rädern zu, rollte sie zur Rezeption und bezahlte meine drei Übernachtungen. Die Frau an der Rezeption musterte mich zweifelnd.
    »Haben Sie eine neue Frisur oder so?«
    Sie rief mir ein Taxi. Zehn Minuten später stand ich an der Bushaltestelle. Eine weitere halbe Stunde später saß ich in einem Fernbus Richtung Grenze. Auf der Fahrt nach Norden las ich noch ein paar Cheever-Kurzgeschichten und versuchte, nicht aus dem Fenster zu sehen. Der Anblick von so viel ursprünglicher Schönheit war zu viel für mich. Sie strahlte so eine natürliche Größe aus – die pantheistische Überzeugung, dass Gott gleichbedeutend mit dem Universum ist. Aber ich wusste es besser, die Vorstellung, dass Gott überall ist, war absurd … und insofern achtete ich darauf, dass ich wahnsinnig beschäftigt war. Wenn mich die letzten Wochen etwas gelehrt hatten, dann, dass wir allein in einem feindlichen Universum sind – und dass das Schicksal keine Logik, keinen Plan oder so etwas wie ein übergeordnetes Intelligent Design kennt.
    Also hielt ich den

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