Aus der Welt
Sie das Haus nehmen, werde ich ihn ständig laufen lassen, und Sie werden morgen ein warmes Haus vorfinden. Und im Schuppen hinter dem Haus gibt es jede Menge Feuerholz, mit dem Sie den Ofen befeuern können. Alles andere funktioniert elektrisch, es ist also nicht so, dass Sie Feuer machen müssen, um zu kochen. Was waren Sie gleich wieder von Beruf, sagten Sie?«
»Ich habe noch gar nichts dergleichen gesagt … aber ich war in der Finanzbranche. Jetzt versuche ich ein Buch zu beenden, das auf meiner Doktorarbeit beruht.«
Sie sah mich neugierig an.
»Sie haben einen Doktortitel?«
Ich nickte.
»Von welcher Universität?«
»Von Harvard.«
»Sagt mir was. Und wovon handelt Ihre Arbeit?«
Als ich ihr den Titel nannte, zündete sie sich eine neue Zigarette an.
»Ich habe auch mal eine Doktorarbeit in Anglistik angefangen, genau wie Sie. ›Jane Austen und der englische Bla-bla-bla …‹«
»Aber Sie haben sie nie beendet?«
»Ich kam in den Sommerferien von der McGill University nach Hause, lernte einen hiesigen Fischer kennen und war blöd genug, Montreal zu verlassen und die nächsten zwanzig Jahre mit dem Kerl zusammenzuleben.«
»Aber dann …?«
»Dann hat er es gewagt, an einem Herzinfarkt zu sterben – und mir damit das Herz gebrochen.«
»Das tut mir leid.«
»Nicht so sehr wie mir.«
»Wann ist er gestorben?«
»Vor elf Jahren – aber für mich ist es immer noch so, als wäre es gestern gewesen. Sehen Sie, jetzt zerfließe ich schon wieder in Selbstmitleid. Die Miete beträgt 100 Dollar die Woche. Dafür wechsle ich zweimal die Woche die Bettwäsche und schicke ein Mädchen her, das jeden Dienstag putzt. Wie lange wollen Sie sich hier draußen verkriechen?«
»Etwa drei Wochen.«
»Sie haben gerade keinen Plan, was?«
»Sie meinen, außer mein Buch zu beenden? Nein, keinen.«
Im Nachhinein betrachtet waren diese drei Wochen mit die schönsten meines Lebens. Wie lautet dieser oft zitierte pensée Pascals gleich wieder? Dass das ganze Unglück der Menschheit allein daher rührt, dass sie nicht untätig in einem Zimmer bleiben kann? Nun, ich war zwar in diesen drei Wochen nicht gerade untätig, verbrachte meine Zeit aber überwiegend in einem Zimmer. Und es gefiel mir.
Ich zog am Nachmittag nach der Besichtigung ein. Man hatte nicht nur Staub gewischt, sondern im Ofen prasselte auch ein Feuer, und auf dem Esstisch sowie auf dem Nachttisch standen Vasen mit Blumen. Im Kühlschrank gab es Milch und Käse. Und auf dem Tisch neben dem Schaukelstuhl warteten sogar zwei Flaschen Rotwein aus Nova Scotia. Auch ein Zettel lag dort:
Ich hoffe, Sie fühlen sich wohl hier. Ich werde Dodge noch heute Nachmittag verlassen und in sonnigere Gefilde aufbrechen – dorthin, wo die ganzen Yankees abhängen, nämlich nach Florida.
Marge – die Putzfrau – wird zweimal die Woche kommen, um die Wäsche zu wechseln und sauber zu machen. Wenn Sie länger als drei Wochen bleiben möchten, ist das auch kein Problem. Geben Sie die Knete einfach Marge.
Ich hoffe, Sie schaffen, was Sie sich vorgenommen haben …
Ich packte aus, während CBC 2 , der Klassiksender, aus dem Radio dröhnte. Ein Ende des langen Esstischs benutzte ich als Schreibtisch. Ich legte mein Manuskript neben den Laptop und eine Reihe gespitzter Bleistifte obenauf.
Am nächsten Morgen stand ich um sechs Uhr auf. Ich machte mir Porridge und Kaffee. Noch in der Morgendämmerung verließ ich das Haus, um den Strand vierzig Minuten hinauf- und noch einmal so lange wieder hinunterzuspazieren. Draußen waren es fünf Grad minus, wenn das Thermometer an der Vordertür des Cottages richtig funktionierte, und es war absolut windstill – das perfekte Wetter für einen Spaziergang. Als ich nach Hause kam, war es erst Viertel nach acht. Jegliche Müdigkeit war von der morgendlichen Kälte und Seeluft wie weggeblasen. Mein Kopf war frei, und ich konnte anfangen, zu arbeiten.
Und wie ich arbeitete – fünf Stunden jeden Vormittag! Ich hatte richtig Spaß daran, das Manuskript zu redigieren. Ich strich Überflüssiges, schärfte meine Argumente und fügte die notwendigen geistreichen Formulierungen ein, die meiner Meinung nach zu einem akademischen Fachbuch gehören. Die Arbeit ging mir gut von der Hand – zumal ich mich an einen strengen Terminplan hielt. Vor dem Morgengrauen aufstehen. Frühstücken. Achtzig Minuten am Strand spazieren gehen (warum ausgerechnet achtzig Minuten? Keine Ahnung, es funktionierte einfach), dann fünf Stunden am Buch
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