Aus Licht gewoben
uns aus Fairwell nachgesandt.
Der freudige Schreck, der mich durchzuckte, vertrieb jeden zusammenhängenden Gedanken aus meinem Kopf. Endlich hatte Henry mir geantwortet.
Vorsichtig und beinahe schon andächtig wendete ich den Briefumschlag in der Hand. Das Siegelwachs hatte kleine Vertiefungen. Ich hielt es näher an die Augen, um es mir genauer anzusehen. Da, im dunkelroten Wachs, waren kleine Körnchen Wüstensand – ein Stückchen Zuhause.
Delle,
ich hoffe, dir geht es gut und dieser Brief erreicht dich irgendwie. Ich schicke Kopien an verschiedene Gasthöfe in den größeren Städten, in der Hoffnung, dass du in wenigstens einem davon Halt machst. Ich bin in Sicherheit. Vor einigen Tagen sind die Bailey Brüder und ich, auf Anordnung deines Vaters, aus Cliffton entkommen. Er möchte, dass wir nach Provincia gehen und an seiner Stelle bei den Kriegsvorbereitungen helfen. Mein Ziel ist es jedoch eher, Clifftons Lage zu schildern. Bei unserer Abreise war der Großteil der Ernte von den Soldaten zerstört worden, es sind aber alle wohlauf. Die Wenigen, die versucht haben zu fliehen und gefangen wurden, sind geschlagen worden, aber noch am Leben. Deiner und meiner Familie geht es gut, wenn unsere Mütter auch etwas mitgenommen sind.
Ihr werdet vor uns in Provincia sein. Sobald wir ankommen, werde ich versuchen, dich zu finden. Pass auf dich auf, bis wir uns wiedersehen. Du fehlst mir.
Henry
»Gibt es was Neues?«, fragte North. Den Brief an die Brust gepresst, drehte ich mich langsam um. Er lächelte, und dieser
seltene Anblick hielt mich beinahe davon ab, ihm etwas davon zu erzählen.
»Henry hat geschrieben«, sagte ich schnell. »Und du hast einen Brief von Pascal bekommen.«
»Was hatte Henry zu erzählen?« Er beugte sich vor, um besser sehen zu können, aber ich drückte den Brief an mich.
»Dass es meiner Familie gut geht, und er mit ein paar anderen geflohen ist«, sagte ich. »Sie werden kurz nach uns in Provincia sein.«
»Das ist ja ausgesprochen praktisch«, sagte North. »Zu dumm, dass wir keine Zeit haben werden, auf eine Tasse Tee vorbeizuschauen. «
» Ich werde die Zeit haben«, erwiderte ich.
»Sei dir da mal nicht zu sicher«, sagte er und streckte die Hand nach meinen Locken aus. »Vielleicht behalte ich dich ja auch ganz für mich.«
Mir war nicht wohl, als ich ihn ansah. Die Berührung war so vertraut. North hatte das in den letzten Wochen oft getan. Aber es fühlte sich falsch an, jetzt zu genießen, dass er es tat, während ich doch Henrys Brief in der Hand hielt.
»Lies deinen eigenen Brief und lass mich in Frieden«, sagte ich, noch immer unfähig, ihm in die Augen zu sehen.
»Jawohl, mein wunderschöner Liebling«, sagte er. »Wie mein wunderschöner Liebling wünscht.«
Als ich schließlich den Mut auf brachte, den Blick zu heben, sah ich, wie North stirnrunzelnd den Brief las.
»Schlechte Nachrichten von Pascal?«
»Er ist ganz der Alte, ein Griesgram«, antwortete er abwesend. »Behandelt mich immer noch wie den Siebenjährigen, den er damals bei sich aufgenommen hat.«
»Deine Ausbildung hat nur sieben Jahre gedauert?« Ich wusste nicht besonders viel über die Zaubererausbildung.
»Ja. Ich habe bei ihm gewohnt, bis ich mit vierzehn meine Ausbildung beendet hatte und einen Rang bekommen sollte.« North blickte von seinem Brief auf. »Warum siehst du mich so an?«
»Du hast keinen Rang?«
»Ich dachte, das wüsstest du«, sagte er. »Ist das ein Problem? «
»Aber alle anderen Zauberer haben einen.«
»Ich bin aber nicht wie alle anderen Zauberer«, gab er zurück. »Und ich habe auch nicht vor, es zu werden. Es… für mich war es einfach nicht der richtige Weg.«
»Dann überrascht es mich, dass du einen Meister hattest«, sagte ich, weil mir eine Seite aus dem Buch für Zauberer eingefallen war. »Ist das nicht der Sinn einer Ausbildung? Eingestuft zu werden und zur Zauberergarde zu gehören? Die Zauberer ohne Rang sind doch meistens so wie Dorwan, oder?«
North war offensichtlich in seiner Ehre verletzt, denn seine Augen wurden schmal. »Vergleichst du mich etwa mit den Heckengemeinschaften?«
»Nein! Na ja, ein bisschen. Nicht wirklich«, endete ich kraftlos, während sich sein Gesichtsausdruck noch weiter verfinsterte.
»Du bist nicht eingestuft«, versuchte ich es noch einmal. »Und du bist einfach gegangen, herumgereist und… ähm, es tut mir leid.«
Seine Mundwinkel zuckten. »Ich denke, ich verzeihe dir noch einmal, wenn du einen Brief für mich
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