Aus Nebel geboren
er sich nie erlauben, mehr für eine Frau zu empfinden, ganz egal, wie sehr er sie mochte, denn es war seine Pflicht, die Wahrheit zu beschützen. Für immer. Und das wiederum hatte ihn hierhergeführt.
Sie mussten allen Spuren nachgehen, um alle Rubinphiolen zu finden und in Sicherheit zu bringen.
Dieser hier war nach dem Rubin, den Julien dank Saids Hilfe in Jerusalem geborgen hatte, und einem, der ihnen kurz darauf in Rom in die Hände gefallen war, ihr dritter Rubin. Er musste so schnell wie möglich in den geheimen Tresorraum in den Katakomben eines unscheinbaren irischen Klosters gebracht werden. Besonders, da ihnen ihre Feinde diesmal so nah gekommen waren wie nie zuvor.
Mit Schaudern dachte er an den Wanderer und wie grausam dieser zu Fay gewesen war. Er fragte sich, warum er diesen gewissenlosen Söldner nicht umgebracht hatte, als sich ihm die Gelegenheit geboten hatte?
War es aus Respekt vor diesem Mann geschehen, der wie sie aus dem Nebel geboren war? Oder hatte ihn die Legende, die den Wanderer umgab, davon abgehalten?
Seit vielen Jahrhunderten rankten sich die Geschichten um diesen Mann. Es gab unzählige Hinweise dafür, dass es durch alle Zeiten Männer gegeben hatte, die aus Nebel geboren worden waren. Erzählt wurde, am Ende seien sie alle vom Wanderer vernichtet worden. Beweise gab es weder für das eine noch das andere. All diese Hinweise waren, genau wie sie selbst, aus Nebel geboren.
Dennoch fanden sich immer wieder Berichte von Augenzeugen, alte Schriften und Legenden, die dem Mysterium dieses Mannes Nahrung gaben. So gab es auch das Gerücht, der Wanderer sei Apollon und hätte schon den mithilfe des Elixiers unsterblich gewordenen Achilles mit einem Rubinpfeil getötet. Aber genau, wie es keine Beweise für die Existenz dieser Helden der Mythologie gab, gab es auch keine für dieses Gerede.
Seit Gabriels Tod wussten sie nun mit absoluter Sicherheit, dass ein Rubin jeden von ihnen töten könnte, käme er mit ihrem Blut in Berührung. Darum befand sich das Elixier auch in einem Rubin, der als Stein der Steine oder Stein des Lebens bekannt war, und dem man nachsagte, er bezeichne das Wort Gottes. Nur dieses Mineral schien die Macht zu besitzen, die Kraft des Elixiers zu kontrollieren.
Und der Wanderer nutzte dieses Wissen als heimtückische und gefährliche Waffe gegen Julien und seine Männer. Die Frage war nur: Wer hatte ihn beauftragt? Die Bruderschaft, oder die Kirche?
Dieser Gedanke machte ihn noch unruhiger, und er strich mit der Hand die Strähnen zurück, die immer wieder in seine Stirn fielen.
„Verdammt!“, murmelte er und versuchte, hinter dem finsteren Schaufenster irgendetwas zu erkennen. War das eine Bewegung? Oder nur eine Lichtspiegelung?
Unentschlossen stieg er aus dem Wagen.
Wo zum Teufel waren seine Männer?
„Schhhht, keinen Mucks, Süße!“, warnte der Mann und lächelte, sodass Chloé im schwachen, durch das Fenster einfallenden Licht, seine Zähne sah.
„Heute scheint mein Glückstag zu sein“, flüsterte er in Chloés Ohr und leckte ihren Hals.
„Du schmeckst nach Unschuld.“
Chloé spürte, wie die Angst ihre Bronchien einengte, wie die Panik und das Gewicht des Mannes ihren Brustkorb zu sprengen drohten. Ihr rasselnder Atemzug brachte kaum Luft in ihre Lunge. Sie wimmerte, und der Gedanke, er könnte ihr die Kehle bereits durchgeschnitten haben, weil sie keine Luft bekam, ließ sie würgen.
Licht! Sie brauchte Licht, um … um was? Um zu sehen, was er ihr antat? Um zu sehen, wer ihr das antat? Sie japste nach Luft, aber der Hauch, der tatsächlich in ihre Brust fand, war unbefriedigend.
„Schmeckst du überall nach Unschuld?“, fragte er und schob die Bettdecke beiseite, ohne den Druck des Messers oder was immer es war, das er ihr an die Kehle presste, zu verringern. Helle Punkte flackerten vor Chloés Augen, als er seine Hand unter ihr Nachthemd schob.
„In all den Jahren habe ich Französinnen immer nur getötet, aber noch nie gefickt. Kannst du dir das vorstellen?“, hauchte er kalt und leckte ihren Bauch.
„Nicht!“
Chloé verstand sich selbst kaum, so schwach kamen die Worte aus ihrer engen Kehle. Sie presste ihre Beine zusammen und schlug kraftlos auf ihren Peiniger ein.
„Nur weiter so, Süße“, gab er amüsiert zurück, schwang sich breitbeinig auf sie und hielt ihre Hände gefangen, während er mit dem Messer an ihrer Wange entlang fuhr.
Das Leder seiner Kleidung und die metallenen Schnallen an seinen Stiefeln
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