Aus reiner Mordlust: Der Serienmordexperte über Thrill-Killer (German Edition)
Begebenheit, als er Florian Kranz vor etwa vier Monaten besucht habe: »Der hat so wirres Zeug gelabert, wollte mit mir darüber reden, wie man einen Menschen töten könnte. Und dann hat er mich irgendwann gefragt: ›Kann ich dein Herz haben?‹«
Diese doch etwas bizarren Aussagen, deren Wahrheitsgehalt schwer einzuschätzen ist, machen aus Florian Kranz nicht notwendigerweise einen Mordverdächtigen, denn es kommt häufiger vor, dass Unschuldige in Verdacht geraten oder wissentlich falsch beschuldigt werden. Dennoch wird man der Sache nachgehen.
Während sich die Nachforschungen auch weiterhin als ausgesprochen schwierig erweisen, haben die Kollegen andernorts mehr Erfolg. Die kürzlich in einem See gefundene zerstückelte weibliche Leiche wurde zwischenzeitlich identifiziert, und der Täter konnte überführt werden. In Untersuchungshaft sitzt nun ein 64-jähriger Rentner, der seine vier Jahre jüngere Frau nach einem heftigen Streit erschlagen hat. Der auskunftsfreudige und geständige Mann kommt als Mörder von Holger Brandt aber höchstwahrscheinlich nicht in Betracht, weil er den Verdacht vehement zurückgewiesen hat und es bisher nicht gelungen ist, eine Verbindung zwischen den ungleichen Männern nachzuweisen. Wieder so eine Sackgasse.
Derweil gerät ein anderer Mann nach und nach in den Fokus der Ermittlungen. Es ist Florian Kranz. Den ersten Vernehmungstermin hat er abgesagt und in einer E-Mail an die Kripo erklärt, er könne nicht ins Präsidium kommen, weil er wegen der Vorladung »doch schwer geschockt« sei und den Tod des »nahen Freundes« noch nicht verkraftet habe. Falls die Ermittler weitere Fragen haben sollten, mögen sie sich an seinen Vater wenden. Und sie haben Fragen. Die Fahnder kontaktieren jedoch nicht den Vater, sondern laden Florian Kranz erneut vor. Doch auch zu diesem und einem dritten Termin erscheint der junge Mann nicht, diesmal jeweils unentschuldigt.
Verdächtig erscheint Florian Kranz den Fahndern nun nicht nur wegen seiner Weigerung, eine Aussage zu machen, sondern weil er – dies haben erste Ermittlungen und Befragungen ergeben – nachweislich mehrfach mit dem Getöteten in dessen und seiner eigenen Wohnung gewesen ist und angeblich homosexuell sein soll. In diesem Zusammenhang gewinnt das Abtrennen des Geschlechtsteils bei Holger Brandt schlagartig an Bedeutung. Hat es zwischen den Männern einen Streit gegeben, der eskaliert ist? Oder hat eine Vergewaltigung stattgefunden? Sind Penis und Hoden vielleicht aus Wut abgeschnitten worden? Aus Wut darüber, aufgrund der sexuellen Ausrichtung zurückgewiesen worden zu sein? Zu dieser Hypothese passt jedenfalls, dass Bekannte Florian Kranz mitunter auch als »sehr aufbrausend« charakterisiert haben.
Dem Ermittlungsrichter genügen diese Beweisanzeichen, um einen Beschluss für die Durchsuchung der Wohnung des jetzt Beschuldigten zu erlassen. Und die Kripo macht dort tatsächlich verräterische Entdeckungen. Eine chemische Substanz, mit der Blutspuren nachgewiesen werden können, reagiert an vielen Stellen positiv. Offenbar wurden insbesondere die Badewanne, die Bodenfliesen und ein Teppich kürzlich von Blut befreit. Zu diesem Befund passen auch zwei chlorhaltige Reinigungsmittel, die in der Küche gefunden werden und sich besonders gut eignen, um Blut zu entfernen, und zwar rückstandslos. Allerdings scheint dem Verdächtigen, der selbst nicht angetroffen wird, die Säuberung der Wohnung nicht vollends geglückt zu sein, denn unter dem Kühlschrank werden rötlich braune Flecken gefunden, augenscheinlich Blut. Florian Kranz gilt sofort als »dringend tatverdächtig«.
Als die Fahnder in den nächsten Tagen den Inhalt einer im Wohnzimmer des Beschuldigten gefundenen USB-Festplatte auswerten, ergeben sich daraus – endlich! – erste Hinweise darauf, welche Motivation Florian Kranz bei dem Mord an Holger Brandt geleitet haben könnte. Ausgangspunkt der kriminalistischen Überlegungen ist der ursprünglich verbotene Actionthriller »Der blutige Pfad Gottes«, in dem zwei Brüder gezeigt werden, die, nachdem sie einen Mordanschlag überlebt haben, in vermeintlich göttlicher Mission Selbstjustiz ausüben und dabei zahllose Mafia-Gangster kaltblütig und grausam ermorden.
Eben auf dieses Machwerk bezieht sich ein Text, den Florian Kranz auf der Festplatte seines Computers gespeichert hat und in dem er seitenlang darüber schwadroniert, durch die Tötung eines Menschen könne »eine Transformierung meiner
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