Aus reiner Notwehr
hörbar.
“Nun, schönen Abend noch, allerseits. Können wir morgen auch noch besprechen. Nach dem Begräbnis.” Er tippte an seinen Hut. “Ich geh mal besser, damit Sie endlich zur Totenwache kommen.”
27. KAPITEL
M it Vollgas röhrte der Allradkombi durch das nachtschlafene kleine Wohnviertel, am Steuer ein vor Wut fast platzender Nick. Der Krach, den sein Wagen mitten in der Nacht machte, war ihm völlig gleich. Vor einem bescheidenen, hinter Magnolienbüschen versteckt liegenden Haus stieg er voll auf die Bremse, das schwere Fahrzeug kam mit kreischenden Reifen zum Stehen, er sprang hinaus und warf ohne Rücksicht auf die schlafenden Anwohner donnernd die Tür zu. In der Nähe schlug wie verrückt ein Hund an, als er auf die Haustür zustürmte.
Ohne seinen Schritt zu verlangsamen, löste er den Knoten seiner Krawatte, riss sie aus dem Hemdkragen, fluchte, weil alles mit nur einem Arm und einer Hand so furchtbar umständlich ging, und stopfte sie wütend in die Tasche seines Jacketts. Im Sprung nahm er die Treppenstufen und drückte die Türklingel, wartete und schaute zornig zu Boden. Mochte es Mitternacht sein, es störte ihn nicht – er war gekommen, um einige Antworten auf Fragen zu bekommen. Sekunden verstrichen, er drückte die Klingel ein zweites, dann ein drittes Mal, Licht ging an im hinteren Bereich des Hauses; er richtete sich auf und starrte geradewegs in das runde Guckloch des Türspions. Das Drehen des Schlüssels war zu hören, dann das Rasseln der Sicherheitskette, und die Tür öffnete sich einen Spalt.
“Nick?” Völlig überrascht und verschlafen nahm Pamela ihn vor der Haustür wahr. “Was willst …”
Er wartete nicht ab, bis sie ihn hereinbat, sondern stürmte an ihr vorbei, schloss die Tür mit der flachen Hand und blickte sie wutentbrannt an. “Pamela, was sollte das heute Abend bei Amber?”
Ihre Hände zogen die Seiten des Kimonos vorn übereinander, fanden den Gürtel nicht gleich; für einen Augenblick blitzte die glatte Haut ihrer Schenkel auf, und der Gedanke fuhr ihm durch den Kopf, dass sie nackt schlief. Aber in diesem Moment interessierte ihn etwas anderes. “Ist dir klar, wie viel Uhr es ist?”, fragte sie, während sie den Gürtel verknotete.
“Mitternacht”, fauchte er. “Schon zehn Minuten drüber. Und ich komme gerade von einer Totenwache zurück, sonst wäre ich dir schon eher auf die Bude gerückt. Ich will Antworten!”
“Antworten? Was für Antworten? Was ist bloß in dich gefahren, Nick? So kenne ich dich ja gar nicht!”
“Dann schau genau hin, mein Schatz, denn so sehe ich aus, wenn ich stinksauer bin.” Er stapfte einige heftige Schritte von ihr weg und drehte sich hitzig um. “Das war die mieseste, pietätloseste, anmaßendste Machtdemonstration, die ich je erlebt habe. Und ich kann dir sagen, mir ist nichts Menschliches fremd.”
“Würdest du dich bitte beruhigen? Ich nehme an, du hast ein Problem mit Chief Escavez und seinen Ermittlungsmethoden, mein Lieber, aber mich hier mitten in der Nacht zu überfallen und diesen Veitstanz aufzuführen, das ändert nichts. Im Übrigen habe ich auf Befehl zu handeln, das weißt du genau. Ich führe einen Auftrag aus.” Ein Druck auf den Schalter tauchte den bescheidenen Wohnraum in helles Licht. Sie hielt noch immer ihren Kimono über der Brust zusammen und sah verstört und verletzlich aus. Nichts erinnerte an die nüchtern-sachliche Beamtin an der Seite von Chief Escavez – nur ihr hübscher Mund wirkte auch jetzt energisch und fest.
“Entschuldige”, murmelte er. “Ich weiß, es ist schon spät, aber …”
“Und ich weiß, du kommst von einer Totenwache”, gab sie lakonisch zurück, unterdrückte einen genervten Augenaufschlag und bat ihn auf eine Tasse Kaffee in die Küche.
“Mach keine Umstände”, sagte Nick, dessen Erbitterung spürbar nachließ. In Wirklichkeit war er sauer auf Escavez, nicht auf Pamela. Er blickte ihr nach, wie sie den Flur entlangging und dabei am Saum ihres kurzen Kimonos herumzupfte, damit er ja ihren Po verhüllte, und gestand sich widerstrebend ein, dass sie trotzdem, auch von hinten gesehen, ein verführerisches Bild bot. Es war noch nicht lange her, da hatten sie unmittelbar vor einer Liebesbeziehung mit allem Drum und Dran gestanden, doch Amber war wieder in sein Leben getreten, und irgendwie hatte sein gestörtes Verhältnis zu Pamela mit seinen Gefühlen für Amber zu tun, das merkte er nun; es ging alles ziemlich durcheinander.
“Ich kann auch
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