Aus reiner Notwehr
Familienmitglieder bis nach der Beerdigung aufzuschieben?”
“Dr. Madison betrachte ich nicht als Mitglied der Familie Russo, Sam”, entgegnete Escavez und stiefelte weiter neben ihnen her.
“Damit wären Leo und Amber kaum einverstanden, Chief.” Sam gab Nick mit der Hand ein Zeichen. “Kate, es wird Zeit, wir halten den ganzen Laden auf. Chief, Sie wissen ja, wo Sie uns finden.”
Escavez sah zu, wie Sam ihr die Wagentür aufhielt, setzte seine Sonnenbrille auf, beugte sich hinab und spähte durch die Seitenscheibe. “Schön vorsichtig auf der langen Brücke nach Hause!”
“Was hatte denn das zu bedeuten?”, fragte Leo, während der Fahrer die schwere Limousine vorsichtig durch die vor dem Friedhof versammelte Menge manövrierte.
“Er hält einen von uns für den Mörder”, erwiderte Amber trocken.
“Im Ernst?” Stephen drehte sich um und sah durch die Heckscheibe das Einsatzfahrzeug, das ihnen folgte. “Er denkt, einer von uns hat Dad umgebracht? Wer denn?”
“Na, ich.” Amber zupfte an ihrem Designerkleid herum und lächelte Nick an.
“Jetzt mach keine Witze!” Stephen missfiel offensichtlich der Blickkontakt zwischen Nick und seiner Stiefmutter.
“Das ist mein völliger Ernst, Stephen”. Amber hatte eine Zigarette genommen und wirbelte sie zwischen den Fingern wie einen Tambourstab. In der Highschool war sie der Star des Majorettenkorps gewesen; ein Blick zu Nick genügte, und man konnte sehen, dass er sich sehr genau erinnerte. “Stimmt doch, oder, Kate? Deshalb hat er dich doch dort unter deinem Baum festgenagelt, nicht wahr? Mein Alibi überprüfen, was?”
“Mach dich nicht lächerlich!” Victoria war indigniert. “Er kann dich gar nicht verdächtigen!”
Leo tätschelte beruhigend Ambers Knie. “Vicky hat recht, mein Mädchen. Nur die Ruhe, nicht überreagieren!”
“Was wollte er denn nun eigentlich, Kate?” Amber schaute Kate voll an.
“Ach, nichts Besonderes. Alles nur allgemeine Dinge.”
“Das, Leute, ist alles nur Vorgeplänkel”, ließ sich Nick nach einigen Augenblicken vernehmen. “Sperrfeuer, Täuschungsmanöver. Chief Escavez legt jetzt erst richtig los.”
Die Beerdigung war nicht einmal eine Stunde vorbei, als Waylon Escavez bereits in Begleitung seines Spezis Howard Sloan und mit Pamela LaRue als Chauffeurin vor Leos Haus auftauchte. Lediglich Sloan durfte bei der Vernehmung zugegen sein. Nick erfasste die Situation blitzschnell: Ehe der Chief ihn wie Kate des Raumes verweisen konnte, erklärte er sich offiziell zu Ambers Anwalt. Nun ging er nervös und missmutig im Zimmer auf und ab, der personifizierte Unmut über die Vorgehensweise des Chiefs. Für Escavez schien er jedoch Luft zu sein; er wurde von ihm schlichtweg ignoriert. Kate konnte von ihrem Beobachtungspunkt am Rand des Gartenteichs durch das Fenster sehen und nahm erleichtert zur Kenntnis, dass Amber dem Verhör nicht ohne jeden Beistand ausgeliefert war.
“Sie sehen besorgt aus.”
Pamelas Stimme ließ Kate herumfahren. Die Polizistin war lautlos aus dem Schatten des Riesenphilodendrons getreten, wie immer in tadelloser Uniform und korrekt im Auftreten, und Kate fand es erstaunlich, dass der schwere Dienstrevolver am Koppel dieser zierlichen jungen Frau gar nicht mehr so absurd wirkte – lediglich gefährlich. Pamela lupfte die Bügelfalte ihrer Uniformhose, setzte sich zu Kate auf das niedrige Mäuerchen, das den Teich umgab, und sah mit ihr dem Schauspiel zu, das auf der anderen Seite des Fensters ablief. “Machen Sie sich Sorgen um Ihre Freundin?”
“Selbstverständlich. Amber hat gerade ihren Mann beerdigen müssen. Welche Frau wäre zu einem solchen Zeitpunkt nicht labil und verwundbar?”
“Mrs. Russo sicherlich in ganz besonderem Maße, oder?” Pamelas Blick wanderte zu Kates Gesicht. “Stellen Sie sich vor, Sie sind mit solch einem gewalttätigen Kerl verheiratet, und dann segnet der plötzlich das Zeitliche! Wie man sich da wohl fühlt?”
“Nehmen Sie das nur an, dass Deke gewalttätig war, oder wissen Sie es genau?”
“Ein bisschen von beidem. An dem Morgen, an dem er tot aufgefunden wurde, habe ich einiges von dem aufgeschnappt, was zwischen Ihnen, Nick und Amber gesagt wurde. Da sprach eine so verbitterte, eine so wütende Ehegattin, dass ich mir so meine Gedanken über ihr Eheleben machte. Also stellte ich meine Nachforschungen an. Resultat: Innerhalb von zwei Jahren vier Mal Notaufnahme in einem Krankenhaus in New Orleans. Handgelenk verstaucht, Beule
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