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Aus vollem Herzen: Über das Geschenk des Lebens und die Kraft der Musik

Aus vollem Herzen: Über das Geschenk des Lebens und die Kraft der Musik

Titel: Aus vollem Herzen: Über das Geschenk des Lebens und die Kraft der Musik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: José Carreras
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Oper, Manon Lescaut von Puccini mit dem Orchester des Teatro Comunale von Bologna unter Riccardo Chailly sowie die Misa Criolla von Ariel Ramírez. Während dieser Aufnahme, die Anfang Juli im Kloster Bien Aparecida von Laredo in der Provinz Kantabrien stattfand, begann ich mich unwohl zu fühlen, achtete aber nicht weiter darauf, sondern führte es auf meinen Arbeitsrhythmus zurück. Daher erklärte ich mich nicht nur bereit, zwei Konzerte in Südfrankreich zu singen, sondern nahm außerdem einige Tage darauf in Paris La Bohème auf. Und unmittelbar danach sollten die Dreharbeiten für eine Verfilmung dieser Oper beginnen. Doch ich war matt, konnte nicht einschlafen und kam morgens nur schwer aus dem Bett. Kurz, ich fühlte mich wie noch nie zuvor.

    Wie sonderbar: Als sich Carreras, der eine Lebensversicherung abschließen wollte, Mitte Mai in den Räumen einer Versicherungsgesellschaft im Stadtzentrum von Barcelona auf Herz und Nieren hatte durchchecken lassen –
inklusive eines Blutbildes –, war den Ärzten nichts Bemerkenswertes aufgefallen, sodass das Ergebnis lautete: »Herr Carreras, Ihnen fehlt nicht das Geringste.« Als man ganze zwei Monate später bei ihm Leukämie feststellte, begann sein geradezu titanenhafter Kampf gegen diese Krankheit.

10.
Die Macht des Schicksals bricht in die Dreharbeiten zu La Bohème ein
    A m 18. Juli 1987 brachte ein Ambulanzflugzeug, das in Innsbruck gestartet war, den Sänger vom Pariser Flughafen Le Bourget nach Barcelona zurück. Organisiert hatte das Ganze sein Sekretär Fritz Krammer, doch Carreras wurde von seinen Geschwistern Albert und María Antònia und deren Partnern Marisa und Ramiro begleitet. Mit seinem älteren Bruder Albert, mit dem ihn stets eine enge Beziehung verband, hatte er im Amerikanischen Hospital von Paris, wo man die Krankheit diagnostiziert hatte, unter vier Augen gesprochen. Dabei hatte er Albert inständig gebeten, ihm auf keinen Fall die Wahrheit vorzuenthalten, ihm mitzuteilen, was die Ärzte im Hinblick auf die Aussichten sagten, die Krankheit zu überwinden, aber auch was die Notwendigkeit von Behandlungen anging, denen er sich würde unterziehen müssen. Er versicherte ihm, er werde sich nicht einmal dann geschlagen geben, wenn die Aussicht zu genesen nur eins zu einer Million stehe. Dann hatte er sich von Albert in die Hand versprechen lassen, dafür zu sorgen, dass ihm ein unnötig langes Leiden erspart bleiben würde, sofern sich eine Heilung als aussichtslos erweisen sollte.
    Während sie über die Pyrenäen flogen, bestärkte ihn der Bruder in seiner Entschlossenheit, mutig gegen die Krankheit zu kämpfen und auf das Glück zu vertrauen, das ihm bis dahin auch dann stets zur Seite gestanden hatte, wenn es darum gegangen war, große Opernpremieren durchzustehen. Er brachte es sogar fertig zu scherzen und erinnerte ihn an gemeinsam erlebte Augenblicke. Beispielsweise hatte er ihn, als er zwanzig Jahre alt war, an einem Sonntagmorgen gegen halb neun in seine Wohnung in der Calle Feliu Casanova im Stadtviertel Sants gebeten. »Ich hatte angenommen, du wolltest mir etwas Vertrauliches über die Familie oder die Arbeit mitteilen.« Dabei ging es um Folgendes: Wenn sich sein Bruder am
Wochenende duschte, pflegte er ein volkstümliches Lied oder eine Passage aus einer Zarzuela zu schmettern, einer Art spanischer Operette. Sogleich machte sich dann ein unter ihm wohnender Nachbar daran, mit kräftiger Stimme eine Arie aus Tosca oder dem Barbier von Sevilla zu singen, was Albert gehörig auf die Nerven ging. Daher bat er den Bruder an jenem Sonntagmorgen, er möge dagegen ansingen, nachdem der Nachbar wieder einmal zu einer Arie angesetzt hatte. Carreras wählte ein Stück aus Verdis Luisa Miller . Es dauerte nur wenige Minuten, doch seine Stimme tönte hell und strahlend durchs ganze Viertel. Der unverschämte Nachbar verstummte daraufhin sogleich, als habe er eingesehen, dass er solchem Wohlklang nichts entgegensetzen könne, und hat nie wieder im Bad gesungen.
    Als sie am Flughafen von Barcelona landeten, rollte ein bereitstehendes Ambulanzfahrzeug herbei, um ihn in die hämatologische Abteilung des Hospital Clínico der Stadt zu bringen, wo ihn Dr. Enric Carreras in Empfang nahm (Dr. Carreras ist momentan wissenschaftlicher Leiter des spanischen Registers der Knochenmarkspender, REDMO, und unterstützt die vom Sänger ins Leben gerufene Stiftung). Der Hausarzt des Sängers, Jordi Permanyer, hatte alles vorbereitet und ihm mitgeteilt, es

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