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Auserkoren

Titel: Auserkoren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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dem Moment, als eine Kellnerin mit einem Krug Wasser vorbeigeht.
    Mutter Sarah, deren Bauch hinter dem Tisch versteckt ist, sagt: »Nicht jetzt, Kyra.«
    Mutter Victoria legt die Finger an die Lippen.
    »Wir tun, was Gott befiehlt«, sagt Mutter Claire. Und ich weiß, sie tut wirklich alles, was Gott befiehlt, denn sie hat es auch zugelassen, als mein Onkel ihr Baby bestrafte.
    »Ich will aber nicht«, sage ich.
    Laura starrt stumm auf ihre Nudeln mit Brokkoli. Sie hat sich etwas Asiatisches ausgesucht.
    »Wenn ich mit euch dreien nicht darüber sprechen kann, mit wem denn dann? Vater ist ja machtlos.« Mit leiser Stimme spreche ich das aus, was mich am meisten quält: »Ich will keine Babys von meinem Onkel. Ich will nicht, dass er mich anfasst.«
    »Kyra!«, ruft Laura entsetzt.
    »Darüber sprechen wir nicht«, sagt Mutter. Ihr Gesicht wird puterrot. »Das ist etwas Heiliges. Das geht nur den Mann und seine Ehefrau etwas an.«
    Die Angst ist wieder da. Ich umklammere meine Gabel. »Ich will nicht«, sage ich noch einmal. »Mir ist es
egal, ob man darüber spricht oder nicht. Als du Vater geheiratet hast, war er jung, Mutter Claire. Und er war immer noch jung, als du ihn geheiratet hast, Mutter.«
    Mutter Claire schaut über mich hinweg.
    »Und Onkel Hyrum ist Vaters ältester Bruder. Er ist … Er ist …«
    »Er ist schrecklich«, sagt Laura. »Das ist so ungerecht.«
    Von einem der Nebentische höre ich Gelächter. Wissen es jetzt alle? Und wenn schon, es ist mir gleichgültig.
    »Du wirst dich dreinfinden«, sagt Mutter.
    »Das werde ich nicht«, sage ich störrisch. Ich sehe sie an, alle drei, eine nach der anderen. »Das werde ich nicht.«
    Die fröhliche Stimmung am Tisch ist dahin.
    »Du wirst tun, was man von dir erwartet«, sagt Mutter Victoria. Aber sie sagt es nicht so streng, wie Mutter Claire es gesagt hätte.
    Ich schüttle den Kopf.
    Das werde ich nicht , denke ich.
    Niemals.
     
     
    Drei Wochen, nachdem ich Joshua zum ersten Mal geküsst hatte, sprach Prophet Childs in einer Versammlung für Heranwachsende vom Heiraten.
    »Die Frau«, sagte er, »die Frau ist für den Mann geschaffen.«
    Ich konnte nicht anders, ich warf Joshua einen verstohlenen Blick zu, und mein Gesicht glühte. Er sah mich
an, ein leichtes Lächeln lag auf seinen Lippen, dann schaute er rasch wieder weg.
    »Gott hat es mir eingegeben«, sagte Prophet Childs. »Es ist seine Offenbarung. Mädchen, ihr müsst eurem Manne untertan sein. Ihr und eure Schwestern werdet Gott als Ehefrauen zahllose Nachkommen schenken.«
    Ich blickte Laura an. Sie hatte Tränen in den Augen. Sie ist so hingebungsvoll. So gut.
    In dem Raum war es heiß. Meine Strümpfe schnitten ins Fleisch. Vielleicht hatte ich sie verkehrt angezogen.
    »Wir haben hier Männer nur für euch«, fuhr Prophet Childs fort.
    Ich schloss die Augen und unterdrückte den Wunsch, Joshua anzuschauen. Aber dann öffnete ich sie wieder.
    »Und das ist das Beste.« Prophet Childs lächelte, ja er strahlte übers ganze Gesicht. Seine Augen funkelten im hellen Licht des Raums.
    »Bruder Arnold. Bruder Bennion. Die Brüder Hunter, Marshall und Cox. Alle diese guten Männer und einige andere mehr können eurem Leben, dem von euch jungen Mädchen, die ihr euch dem Heiratsalter nähert, einen Sinn geben. Einen Lebenssinn, der euch schon hier auf Erden erheben wird«, Prophet Childs zeigte auf den Holzfußboden, »wie auch im künftigen Leben.« Er zeigte zur Decke.
    »Jungen, das sind die Vorbilder, denen ihr folgen müsst. So wie ihr Jesus folgen müsst.«
    Der Prophet holte tief Luft. »Mädchen, ihr werdet gehorsam sein. Gott hat es so bestimmt.«

     
     
    Als wir nach Hause kommen, bleibt mir gerade noch Zeit genug, um mich zu duschen. »Komm, lass uns reden«, bitte ich Laura.
    Während ich mich hinter dem Duschvorhang ausziehe und meine Kleider über die Stange hänge, sitzt sie auf der Toilette.
    »Ich weiß nicht, wie ich es schaffen soll«, sage ich.
    »Ich wünschte, ich könnte mit dir gehen«, sagt sie. »Und bei dir bleiben.«
    »Willst du ihn etwa auch heiraten?«, frage ich, während das heiße Wasser läuft. Es macht mir fast Spaß, sie so zu necken.
    »Niemals«, sagt sie. »Ich hoffe, das bleibt mir erspart.«
    Ich schaue hinter dem Vorhang hervor. »Und mir auch.« Ich meine es ernst. »Mir auch.«
    Manchmal heiraten zwei oder drei Schwestern den gleichen Mann, eine nach der anderen. Bruder Nelson, der zu den Kadern Gottes gehört, hat alle fünf Töchter von Bruder

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