Ausersehen
In diesen Nischen steckten brennende Kerzen in seltsam aussehenden goldenen Ständern. (Mein Gott, ich liebe es, wenn ein Raum mit Gold verziert wird.) Dadurch wirkten die Wände wie von geschliffenen Juwelen durchsetzt. An einer Wand hing ein enormer Spiegel, vor dem ein kunstvoller Frisiertisch stand. Der Spiegel war leicht beschlagen vom Dampf, der aus einem tiefen Becken mit klarem Wasser emporstieg. Dieses Wasserbecken befand sich in der Mitte des Raumes und hatte einen Überlauf, der wie ein schnell fließender Bach in ein Becken in einem angrenzenden Zimmer mündete. Die Luft war so warm und feucht, dass sie sich auf der Haut wie eine Liebkosung anfühlte. Schon allein sie einzuatmen entspannte mich, und der Geruch erinnerte mich an etwas.
„Das ist eine natürliche Heilquelle!“ Sogar meine Stimme reagierte auf das heilende Aroma des Raumes, und Suz/Alanna musste sich nicht mehr anstrengen, um mich zu verstehen.
„Ja, Mylady.“
Sie schien zufrieden, weil ich in der Lage war, den metallischen Geruch des Wassers zu identifizieren und mich gleichzeitig einigermaßen deutlich auszudrücken (ein bisschen wie hüpfen und gleichzeitig Kaugummi kauen).
„Lassen Sie mich Ihnen aus der Robe helfen.“
Das tat sie. Schnell und gekonnt. Dann bedeutete sie mir, die in den Stein gehauenen Stufen hinunter ins Wasser zu steigen. Es war tief, aber es gab mehrere bequeme, in die Wände eingelassene Sitzflächen. Mit dem Seufzer eines wirklich Verschmutzten ließ ich mich auf einem dieser Sitze nieder. Durch halb geschlossene Augenlider beobachtete ich, wie Suzanna/Alanna Schwämme, kleine Töpfe und Flaschen vom Frisiertisch nahm, mir aus einem Krug etwas dunkelrote Flüssigkeit in einen Kelch goss und sich dann neben mich an den Rand des Beckens kniete.
Dankbar nahm ich den Kelch entgegen und seufzte vor Freude, als sich der Geschmack eines wundervollen Cabernets auf meiner Zunge entfaltete. Dann, als würde sie das jeden Tag tun, hob Suzanna/Alanna meinen Arm, den, der nicht den Kelch hielt, und fing an, mit einem seifigen Schwamm an ihm entlangzustreichen. Ich schrie auf und zuckte zurück.
„Mylady, Sie müssen vorbereitet werden, um Ihren Verlobten zu treffen.“
„Ich kann … (schlucken, atmen) … mich … (schlucken) … selber … (atmen) … waschen!“ Ich stellte den Kelch mit einem Knall neben ihr ab und flüsterte energisch: „Und glaub nicht, dass du mich so einlullen kannst, dass ich den bizarren Kram vergesse, den du mir gerade im Flur erzählt hast. Ich will wissen, was los ist … und zwar jetzt , Suzanna Michelle.“ Freundinnen benutzen nur den Zweitnamen der Freundin, wenn es eine Krise gibt oder abartiger Sex diskutiert wird, also musste sie wissen, dass ich es ernst meinte.
„Vergeben Sie mir, Mylady. Ich wollte Sie nicht beleidigen oder Ihnen ausweichen.“
Sie senkte den Kopf und faltete die Hände vor der Brust, als würde sie auf eine Bestrafung warten.
Ich wusste nicht, was hier los war; irgendetwas lief definitiv verkehrt, aber was immer es war, ich war mir sicher, der hervorragende Cabernet würde helfen. Ein weiterer Schluck beruhigte meine Kehle, er war beinahe so entspannend für meinen Geist wie das warme Wasser für meinen Körper. Noch ein Schluck – ein tiefer Atemzug. Suzanna hatte sich noch nicht bewegt. Okay, wenn ich versuchte zu flüstern, würde meine Opossumstimme vielleicht lange genug durchhalten, um Ordnung in dieses Chaos zu bringen – oder ich trank mir so einen an, dass es mich nicht weiter interessierte.
„Suz.“ Beim Klang meines Flüsterns hob sie ihr Kinn ein wenig. „Ich bin nicht böse, das solltest du doch wissen.“ Bevor sie ihre Miene wieder unter Kontrolle hatte, sah ich etwas über ihr Gesicht flitzen, das verdächtig nach einem Schock aussah. „Aber ich bin verwirrt.“ Ein weiterer tiefer Atemzug. Ich räusperte mich. „Fang am besten ganz von vorne an, und sag mir, wo wir hier sind.“ Das schien mir eine einfache Frage zu sein.
„Wir sind in Ihrem Badegemach im Hohen Tempel von Epona.“
In Gedanken schüttelte ich den Kopf. Ja, sicher – mitten im bibeltreuen Teil von Amerika gab es ein Krankenhaus, das nach einer heidnischen Göttin benannt worden war. Vielleicht war meine Frage nicht spezifisch genug gewesen.
„In welchem Staat?“ Ein oder zwei weitere Kelche Rotwein, und mein Opossum und ich wären bereit, es mit der Welt aufzunehmen.
„Sie sind verletzt worden, Mylady, aber Sie scheinen sich erstaunlich gut zu
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