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Ausersehen

Ausersehen

Titel: Ausersehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. C. Cast
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organisierter aus. Die Schülerinnen räumten leise die Reste des Abendessens weg und schoben die Tische an eine Seite des Raumes. Über den offenen Kaminen in den Wänden hingen bereits große Kessel mit Wasser. Die Priesterinnen gingen zwischen ihren Schülerinnen umher, blieben hier und dort stehen und sprachen ruhig Worte der Ermutigung. Victoria wartete mit den fünf Jägerinnen, die ich aus Eponas Tempel kannte, in der anderen Ecke des Saals. Sie winkte mich zu sich. Als ich den Raum durchquerte, fing Thalia mich ab und reichte mir eine lange, bronzene Röhre.
    „Das wird dir helfen zu sehen“, erklärte sie.
    Ich nahm das Teleskop und wollte ihr danken, aber sie war schon weitergegangen und sprach zu einer Gruppe nervöser junger Mädchen.
    Die Jägerinnen standen unter einem Torbogen, der zu einer sich nach oben windenden Wendeltreppe führte.
    „Komm. Thalia sagt, über diese Treppe kommen wir aufs Dach.“
    Victoria begann, die gefährlich schmalen Stufen hinaufzuklettern. Ich folgte ihr, dann kamen die anderen Jägerinnen.
    Das Treppenhaus war sehr eng. Wenn die Jägerinnen ihre Arme ausstreckten, konnte sie die glatten Wände auf beiden Seiten berühren, was ihnen half, die enge Spirale zu erklimmen.
    „Falls du stolperst und nach hinten fällst, zerquetschst du mich“, informierte ich Victoria.
    Ohne den Kopf zu drehen erwiderte sie: „Jägerinnen stolpern nicht.“
    „Das ist gut zu wissen“, murmelte ich.
    Ich hörte, wie die direkt hinter mir gehende Jägerin – Elaine, wenn ich mich recht erinnerte – ein schnaubendes Lachen ausstieß. Nein – sie waren wirklich nicht nervös.
    Gerade als ich dachte, dass die Spirale niemals enden würde, schob Victoria sich durch eine weitere mit Schnitzereien verzierte Holztür. Ich hörte ihre Hufe auf dem Dach klappern, als sie zur Seite trat, damit wir das Treppenhaus ebenfalls verlassen konnten.
    Wir kamen auf einen schmalen Gang hinaus, der sich einmal um das gewölbte Dach wand. Er war nicht ganz so breit, wie ein Pferd lang war, was bedeutete, dass die Jägerinnen seitlich stehen und sich an die Wand drücken mussten, wenn sie aneinander vorbeigehen wollten. Die äußere Seite des Ganges war mit einem Geländer gesichert. Zwischen je zwei Streben standen irdene Gefäße, die mit Geranien und rankendem Efeu bepflanzt waren, dessen breite Blätter wie ein grüner Wasserfall die Tempelwand hinunterzufließen schienen.
    Im trüben Licht der vormorgendlichen Dämmerung inspizierte Victoria das Dach.
    „Das hier ist ein Garten, keine Verteidigungslinie.“ Sie klang gereizt.
    „Es ist eine Schule für Frauen, Vic, nicht für Soldaten.“ Ich verspürte den Wunsch, die Musen zu verteidigen. Immerhin war das hier sozusagen Rhiannons Pendant einer Universität, und ich würde auch nicht wollen, dass jemand sich über „meine“ Universität von Illinois beschwert.
    Victoria gab angewidert einen Laut von sich, der von den anderen Jägerinnen aufgenommen wurde.
    „Verteilt euch. Nehmt eure Position jeweils ein paar Längen voneinander entfernt ein. Alle richten sich gen Westen. Lasst mich wissen, wenn die Armee in Sichtweite kommt.“
    Die Jägerinnen folgten ihrem Befehl. Ich stellte mich neben sie. Dann starrte ich in die Dunkelheit und machte mir Sorgen.
    „Er ist ein großartiger Krieger“, sagte Victoria.
    „Sogar großartige Krieger bluten, wenn sie getroffen werden.“ Ich seufzte. „Vielleicht sollte ich versuchen zu schlafen, damit mein Seelenkörper ihn suchen kann.“
    „Er würde deine Gegenwart spüren“, sagte sie sanft. „Und das würde ihn ablenken.“
    „Ich hasse es zu warten.“
    Victoria nickte zustimmend.

14. KAPITEL
    Wir standen schweigend nebeneinander. Ich versuchte, irgendwelche Kampfaktivitäten zu sehen oder zu hören, aber die einzigen Geräusche kamen von der leichten Brise, in der der Efeu raschelte, und den vereinzelten Rufen einer Lerche, die den neuen Tag mit unschuldigem Überschwang begrüßte.
    Der Himmel hinter uns wurde langsam heller, und das Grau lichtete sich, aber nur ein wenig. Die Wolken der Nacht wollten offensichtlich bleiben, und seltsamer Nebel schob sich aus den Sümpfen heran und legte sich über die Tempelanlage. Mit einem Mal dämmerte es mir.
    „Carolan sagt, die Fomorianer mögen das Tageslicht nicht, aber wegen des verdammten Wetters können sie heute angreifen.“
    Victoria nickte grimmig.
    Im Norden waren die Berge immer wieder mal zwischen den vorbeiziehenden Wolken zu sehen. Ich schaute

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