Ausersehen
genießen, mit dem wir uns durch den Wald bewegten.
Ich beugte mich ein wenig vor und sprach direkt in sein Ohr: „Wie lange können Sie diese Gangart beibehalten?“ Es war ein bisschen wie mit jemandem zu reden, während man Motorrad fuhr – nur ohne das Motorengeräusch.
„Eine ganze Weile.“
Ich beugte mich noch weiter vor; es gefiel mir, seinen Rücken an meinen Brüsten zu spüren. (Meine Güte, er ist immerhin mein Ehemann.)
„Epi hätte das Tempo in weniger als einer Stunde völlig erschöpft.“ Es freute mich zu sehen, dass mein Atem, der über sein Ohr strich, ihm eine Gänsehaut verursachte. Oder vielleicht waren es auch meine Brustwarzen an seinem Rücken. Er war definitiv empfindlich.
„Zentauren haben mehr Ausdauer als Pferde …“ Kleine effektvolle Pause. „… oder Menschen.“
Seine Stimme war sehr tief geworden, und mich durchrieselte ein angenehmes Kribbeln wie kleine Elektrostöße, und einen Moment lang dachte ich, ich wäre in einem heißen Liebesroman gefangen, das hätte mir durchaus gefallen.
„Ich bin froh, das zu hören“, hauchte ich in sein Ohr, während ich seine festen Schultern drückte.
Ich beschloss ein für alle Mal: Rhiannon war eine Idiotin.
9. KAPITEL
Wir blieben nicht auf dem schmalen Weg, dem ich gefolgt war. ClanFintan führte uns vom Fluss fort und durch den Wald, bis wir auf eine gut ausgebaute Straße kamen (offensichtlich die, die ich die ganze Zeit gemieden hatte). Bald erreichten wir eine Gabelung und nahmen die nordwestliche Abzweigung, die noch weiter vom Fluss wegführte. Ich durchsuchte meine Erinnerung an meinen Schwebetrip und entschied, dass das hier wohl eine kürzere Strecke war, als dem sich windenden Fluss zu folgen. Erstaunlicherweise hielten die anderen Zentauren mit uns Schritt. ClanFintan und seine Kumpels schienen unermüdlich, während sie im Galopp Meile um Meile des Weges fraßen. Mich verfolgen zu müssen, hatte sie offensichtlich aufgehalten.
Auf der Straße herrschte lebhafter Verkehr, aber alle waren in die Richtung unterwegs, aus der wir kamen. Die meisten Reisegruppen waren Familien. Die Frauen saßen auf Pritschenwagen, und die Männer gingen entweder zu Fuß oder ritten nebenher, meistens begleitet von einer kleinen Auswahl Vieh. Mir fiel auf, dass die Menschen alle wohlgenährt und ordentlich aussahen, nicht wie ich mir Bauern vorgestellt hatte. Sie waren nicht grobschlächtig, mit verfaulenden Zähnen und stumpfem, parasitenverseuchtem Haar. Ehrlich gesagt waren es erstaunlich attraktive Menschen – beinahe so gut aussehend wie ihre Pferde. Dieses Land hatte offenbar ein Faible für gute Pferde. Den ganzen Tag über hatte ich noch nicht einen Klepper gesehen.
Dennoch konnte ich nicht anders, als ein bisschen stolz darauf zu sein, dass meine Epi sogar aus dieser Menge gut aussehender Pferde noch herausstach. Das Gleiche galt für ClanFintan, aber er gehörte nicht wirklich in die Pferdekategorie, also war es unfair von mir, mir darauf etwas einzubilden.
Bevor wir auf die ersten Bewohner getroffen waren, hatte ich mich gefragt, ob ich erkannt werden würde. Ich sollte die Antwort bald bekommen. Die erste Familie, an der wir vorbeikamen, grüßte die Zentauren höflich. Alle verstummten aber sofort, als sie mich erblickten. Aus ihrer Höflichkeit wurde reiner Überschwang.
„Es ist Epona!“
Die Mutter, die den Wagen lenkte, in dem neben Taschen und Beuteln ganz entzückende Kinder saßen, bemerkte mich zuerst. Ihre Kinder nahmen ihren Ruf auf und winkten mir begeistert zu.
„Epona!“
„Gesegnet seien Sie, Lady Rhiannon!“
„Mögen Sie eine sichere Reise haben!“
Ich lächelte und winkte und kam mir dabei vor wie Miss Amerika auf dem Laufsteg, nämlich ausgesprochen dümmlich. Man hat mir aber noch nie vorgeworfen, schüchtern oder zurückhaltend zu sein, und so fand ich nach und nach Gefallen an den Zuneigungsbekundungen. Die Menschen waren alle so nett! Ich nehme an, Rhiannons Volk wusste nicht, was für eine Zicke sie in Wirklichkeit war. Gut für mich.
So ging es beinahe den ganzen Morgen. Die Zentauren behielten ein unglaubliches Tempo bei, und immer wieder kamen uns Reisende in Richtung Tempel entgegen.
Wir redeten nicht viel. Ich war nicht davon überzeugt, dass es so einfach war, dieses Tempo durchzuhalten, wie ClanFintan behauptete, und wollte ihn nicht stören. Stattdessen ließ ich die vorbeiziehende Landschaft auf mich wirken, winkte den mich anbetenden Bürgern zu und versuchte mein Bestes,
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