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Auserwählt – Die Linie der Ewigen (German Edition)

Auserwählt – Die Linie der Ewigen (German Edition)

Titel: Auserwählt – Die Linie der Ewigen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Byron
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ich mich dem Unvermeidlichen und trat in die Badezimmertür. Was ich erblickte, krampfte mir auf der Stelle meine Eingeweide zusammen, so fest, dass ich kaum mehr Luft bekam.
    Victor lag vor seinem Katzenklo, eine tiefdunkle Blutlache hatte sich bereits unter seinem kleinen Körper gebildet.
    „Victor!“, schrie ich, „Oh nein, nein, nein!“
    Die Sorge um meinen kleinen Freund ließ mich für einen Moment meine Angst vergessen, und ich stürzte mich auf die kalten Fliesen direkt neben den leblosen, pelzigen Körper. Meine Knie badeten in seinem Blut, das sich noch warm in Sekundenschnelle durch meine Jogginghose sog. Doch das registrierte ich in dem Moment überhaupt nicht. Mit Entsetzen bemerkte ich neben dem kupferhaltigen Geruch des Blutes noch eine weitere, stechende Note und blickte in die Richtung, aus der dieser Würgreiz erzeugende Geruch kam. Kot und Urin hatten sich um Victors Katzenpo gesammelt und bildeten mit seinem Lebenssaft ein abstoßendes Bild der Abscheulichkeit. Ich wusste vom Biologieunterricht, dass der Tod zu einer Erschlaffung des Schließmuskels und der Blase führte, wobei zur umgehenden Darmentleerung Kontraktionen nötig waren. Dies geschah beispielsweise im Falle bestimmter Vergiftungen. Ansonsten musste sich der Kot zunächst verflüssigen, bevor er austrat, und das wiederum deutete auf eine immense Menge Adrenalin hin, die das Katerchen produziert haben musste. Schon seltsam, was für Dinge einem in Stresssituationen einfielen. Was war nur mit Victor geschehen?
    Sein Köpfchen war in einer unnatürlichen Haltung nach hinten gebogen und ich sah, dass seine Kehle herausgerissen war. Dort, wo sich normalerweise Kehlkopf und Luftröhre befanden, klaffte nun ein großes Loch und gab den Blick frei auf Victors Rückgrat. Wäre ich vor Schock nicht wie paralysiert gewesen, ich hätte mich sicher sofort übergeben. Alles sah nach einem Kampf aus.
    Einen Kampf, den Victor mit seinem Leben bezahlt hatte.
    Und so sehr mich auch die Trauer übermannte, hatte ich doch noch genug Verstand in meinem Kopf, dass mir ein untrügerisches Detail nicht entgangen war.
    Der Kampf hatte im Haus stattgefunden.
    Ich war nicht mehr allein.
    Hysterisch schluchzend zog ich den leblosen Pelzkörper in meine Arme und drückte ihn an mich wie ein kleines Kind. Tränen stiegen mir in die Augen, während ich sein blutverschmiertes Fell streichelte.
    „Es tut mir leid, es tut mir so leid“, wiederholte ich erstickt und geschüttelt von Weinkrämpfen immer und immer wieder, während ich mich in sein nasses Fell vergrub. Es war mir egal, ob ich Victors Blut über mein Gesicht verteilte. Mein Bodyguard, mein geliebter kleiner Freund hatte mich verlassen. Verlassen offenbar, weil er für mich eingetreten war und verloren hatte. Ich war mir sicher, irgendwo in diesem Moment grinste Mael bis über beide Ohren und genoss jede einzelne Sekunde meines Schmerzes. Das war die Sekunde, in der ich schlagartig wieder ein wenig Bodenhaftung bekam und erkannte, was mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit jetzt auf mich zukommen würde.
    Ich wartete auf die Panik, wartete darauf, dass sie mich erfasste und mit einer wiederkehrenden Wellenbewegung an den Rand des Wahnsinns trieb. Doch mein automatischer Schutzinstinkt hatte sich bereits eingeschaltet und alle meine Gefühle in den letzten Winkel meines Herzens gesperrt. Ich fühlte mich leer, wie innerlich abgestorben, als mir klar wurde, dass es nun kein Entkommen mehr gab.
    So wischte ich mir mit einem Ärmel über die nassen Augen und erhob mich mit dem toten Kater in meinen Armen. Ich griff nach einem großen Duschtuch, das auf einer Kommode lag, und wickelte den leblosen Körper bedächtig darin ein. Anschließend legte ich das Bündel vorsichtig in die Badewanne.
    „Leb wohl, kleiner Freund. Ich danke dir für unsere gemeinsame Zeit, für deinen Mut, und wünsche dir eine gute Reise. Vielleicht sehen wir uns irgendwann mal wieder.“
    Noch einmal streichelte ich zärtlich über das Handtuch und wand mich zum Gehen, um Franziska per Handy von dem tragischen Vorfall zu informieren. Mein Gehirn arbeitete wie ferngesteuert, und alles um mich herum schien wie durch einen Schleier von mir abzurücken. Irgendwo hallte eine kleine Stimme in meinem Kopf wider, dass es keinen Sinn mehr machte, Franziska anzurufen, denn Mael würde dies sicherlich nicht zulassen. Doch ich fühlte mich zu blockiert, um dieser Stimme Beachtung zu schenken. Manchmal schützte sich die Seele vor zu

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