Ausflug ins Gruene
zog ihre Stirn in Falten. »Feldhausen, Feldhausen? Meinen Sie den Typ, dem früher der Reitstall gehörte? Der hat eben angerufen und gefragt, ob Sie mal nach seinem Pferd sehen können. Es hat so eine Art Ent zündung an den Augen.«
»Das auch noch.« Alexa stöhnte. »Wie soll ich in meinem Zustand diesen Tag überstehen?«
»Na, das wird schon! Hauptsache, es tut sich mal was bei Ihnen, so rein männermäßig meine ich.«
Alexa blickte amüsiert auf. »An mich hatte ich gar nicht gedacht. Dr. Ignaz von Feldhausen wäre der ideale Mann für meine Schwester. Die steht auf CC-Männer.«
»CC-Männer? Was ist denn das?« ■ Alexa blickte Karin amüsiert an. »Ganz einfach: Männer in Cordhosen und Country-Style.«
25
Anstatt anzurufen, kam Leo vorbei. Es war Mittagszeit, und ich hatte gerade Robert während eines Stehfrühstücks von allen Ungereimtheiten erzählt, auf die Leo und ich im Fall Langensiep gestoßen waren. Noch immer war er nicht überzeugt, daß hinter all dem wirklich eine große Sache steckte, aber eine Erklärung hatte er auch nicht für die offenen Fragen. Wir setzten uns zu dritt um den Eß tisch und schlürften dort unseren Kaffee weiter.
»Ich habe eine Menge Neuigkeiten.« Leo kam sofort zur Sache.
»Ich auch«, unterbrach ich ihn.
»Na gut, dann du zuerst!«
Ich erzählte von dem Manuskript, das Regine Langensiep mir vorbeigebracht hatte. »Ich bin mir sicher, daß Bruno Langensiep in diesem Werk seine Autobiographie niedergeschrieben hat. Ziemlich schlecht übrigens. Leider endet das Ganze, bevor es für uns überhaupt losgeht.«
»Was soll das heißen?« Leo schaute mich enttäuscht an.
»Einen Moment.« Ich holte die Mappe hervor und blätterte bis zum Schluß. »Nach einer wenig aufregenden Jugend als Einzelkind heiratet dieser Konstantin Dingsda das Mädchen, mit dem er schon seit Urzeiten zusammen ist. Er hat eine Stelle in der Bibliothek angenommen. Dort arbeitet er viele Jahre und klettert nach und nach Pöstchen für Pöstchen nach oben.«
»In der Bibliothek? Ich denk, das wär ’ne Autobio graphie.« Robert schaute mich verwundert an.
»Nicht in allen Details stimmen Wirklichkeit und Text überein. Wahrscheinlich wollte Langensiep das Buch veröffentlichen und vermied deshalb zu große Parallelen zu seinem eigenen Umfeld.«
»Erzähl weiter!« drängte Leo. »Er arbeitet nun in dieser Bibliothek und dann?«
»Dann stellt er in seinem Leben plötzlich eine große Leere fest.«
»Ja, und weiter?«
»Nichts weiter. Das Buch ist schon bis zu diesem Punkt an Handlungslosigkeit nicht zu überbieten. Plötzlich bricht der Lebenslauf mit einer kleinen philosophischen Abhandlung ab.«
»Typisch Langensiep«, Leo stöhnte, »ein Langweiler bis ins Grab.«
»Warte mal, ich les das mal vor.« Ich suchte die Stelle, die ich den anderen präsentieren wollte.
»Also: Plötzlich wurde mir bewußt, daß mein Leben bisher nichts weiter als ein kleiner unbedeutender Fluß gewesen war. Nein, nicht einmal ein Fluß. Ein Rinnsal, das weder etwas mitzureißen vermochte noch sich in viele kleine Gewässer verzweigen würde. «
Leo unterbrach mich. »Meint er damit vielleicht, daß er weder bei seinen Schülern etwas auszurichten vermochte noch für eigene Nachkommen gesorgt hat?«
» Könnte schon sein. « Ich las weiter. » Die trüben Wellen meines Lebens dienten niemandem, erfreuten niemanden. Sie waren nur für sich, existierten um ihrer selbst willen. «
»Mein Gott, das treibt einem ja die Tränen in die Augen.« Robert gähnte demonstrativ.
»Wenn das so weitergeht, ersetzen diese Zeilen jeden Abschiedsbrief«, warf Leo ein, »wer so schreibt, der kann sein einsames, trauriges Rinnsal eigentlich nur in den nächsten Steinbruch leiten.«
»Du bist makaber«, wies ich ihn zurecht, »außerdem kommt jetzt eine Wendung.« Ich las weiter.
» Mein Leben würde sinnlos weitersickern, wenn ich nicht Kraft zu einem neuen Anfang fände, wenn ich nicht endlich das tun würde, wozu das Leben mich von Kindesbeinen an bestimmt hatte. Ich mußte mich der Tätigkeit zuwenden, die mich stark machen würde, der ich meine eigenen Kräfte zur Verfügung stellen könnte. Und ich war stark. Ich spürte es in meinen Gliedern. Ich war fähig zum Leben, zu einem echten, mitreißenden Leben. Einem Leben für die Kunst. «
Leo und Robert schwiegen. »War’s das etwa?« Leo konnte es kaum glauben. Er fuhr sich mit der Hand durch die Locken.
Robert lehnte sich zurück und verschränkte die Arme
Weitere Kostenlose Bücher