Ausflug ins Gruene
freitags abends«; erklärte Sigrid eifrig, »aber im Januar hatten wir ein ganz besonderes Programm. Der Winter ist für Astronomen die beste Jahreszeit wegen der langen klaren Nächte. In diesem Jahr haben die Freaks in unserem Verein das »Januarfrühstück« eingeführt. Alle, die Lust hatten, blieben die Nacht über an der Sternwarte und genossen die gute Sicht an den Geräten. Um halb acht war dann ein gemeinsames Frühstück mit Besprechung angesetzt.« Sigrid winkte ab. »Aber so genau wird dich das bestimmt nicht interessieren.«
»Oh doch!« widersprach ich energisch. »Ein solch masochistisches Hobby habe ich noch nie kennengelernt.«
Sigrid lachte. »Die meisten Leute schlagen sich die Nächte zwar anders um die Ohren, aber mir macht es unheimlich viel Spaß. Leider bin ich jedoch die einzige Frau in unserem Verein. Für Sternenkunde scheinen sich sonst nur Männer zu interessieren.«
»Dafür lesen Frauen wahrscheinlich häufiger ihr Horoskop«, murmelte ich, »aber zurück zu meinem Kollegen Sondermann. Habe ich das richtig verstanden, daß er an jedem Sonntagmorgen im Januar bei euch war?«
»Hundertprozentig!« sagte Sigrid mit Bestimmtheit. »Wir haben erst letzte Woche darüber gesprochen. Ein Bekannter von mir vermutete, Sondermann würde auch kommen, wenn seine Frau sich gerade in einen Frosch verwandelt hätte. Er war zwar nachts nicht dabei, aber er stand spätestens um sieben auf der Matte, um am Treffen teilzunehmen.«
»Tja, es kann ja auch Vorteile haben, so zuverlässig zu sein«, murmelte ich, »dann kommt man wenigstens nicht auf dumme Gedanken.«
Sigrid schaute mich an, als hätte ich sie nicht mehr alle, und ich konnte es ihr nicht einmal übelnehmen.
30
Als ich am nächsten Morgen erwachte, dachte ich als erstes an Bruno Langensiep. Was war er denn nun wirklich für ein Mensch gewesen? Unsicher? Tyrannisch? Ehrgeizig? Sensibel? Ich wurde einfach nicht schlau aus dieser Person. Ich döste ein wenig vor mich hin, bis mir schlagartig klar wurde, daß schon Samstag war. Wenn ich mich recht erinnerte, hatte ich auch noch einen Nebenjob als Lehrer. Nur noch zwei Tage bis zum Schulstart, und ich mußte noch etliches für die erste Schulwoche organisieren. Die Sekundärliteratur zu Frischs Homo Faber, die Ausarbeitung der Geschichtsreihe für die Acht, Texte kopieren, Schülerlisten anfertigen, ein neues Farbband für meinen Drucker. Apropos Drucker. Langensieps Computerdatei. Darum wollte ich mich auch noch kümmern. Ich beschloß, den Tag offensiv anzugehen, und sprang aus dem Bett. Was sagte die Uhr? Halb neun. Die richtige Zeit, um Leo aus den Federn zu schmeißen. Ich grinste schadenfroh, als ich es munter bei ihm klingeln ließ. Nach zwanzig Mal Klingeln war es mit der Schadenfreude jedoch vorbei. Wo trieb sich der Kerl nur herum? Nach einem hastigen Frühstück machte ich mich auf den Weg in die Stadt. Ich besorgte ein paar Kleinigkeiten im Schreibwarenladen und kaufte anschließend einige Lebensmittel ein. Zuletzt machte ich mich auf den Weg in die Buchhandlung. Radebach war nirgendwo zu sehen. Ich schlenderte zum Regal mit Büchern zur Literaturwissenschaft. Unterwegs kam ich an einem Tischchen vorbei, auf dem Sachbücher zum Thema Partnerschaft und Ehe zusammengestellt waren. » Zweisam einsam « , » Auf der Suche nach der richtigen Hälfte « , » Ehecalypse now – das Ende einer Institution ?« hießen die verheißungsvollen Titel. » Wie finde ich den richtigen Partner? Ein Wegweiser zum Glück zu zweit « prangte auf einem rosaroten Cover. Ich nahm das Bändchen in die Hand. Ob ich das Robert zum nächsten Geburtstag schenken sollte?
»Herr Jakobs, haben Sie Ihre Suche nach dem Glück etwa noch nicht beendet?« Radebachs Stimme war unverkennbar. Ich spürte, wie sich mein Kopf rot färbte. Hinter welchem Buchdeckel hatte ich ihn übersehen?
»Danke, bei mir steht alles bestens!« log ich.
»Dann darf ich Ihnen also nicht noch ein Werk zur Einführung in die Tiermedizin empfehlen?« Radebach hatte Mühe, ein ernstes Gesicht zu wahren.
»Dazu werde ich in näherer Zukunft kaum kommen!«, bedauerte ich. »Nachdem ich kürzlich unter Einsatz aller meiner Kräfte Ihr Bücherpaket nach oben geschleppt habe, hat Schwester Wulfhilde mich kurzerhand für eine Beförderungsstelle vorgeschlagen. Da werde ich mich natürlich einarbeiten müssen.«
»Versteht sich!« Radebach grinste und gab mir die Hand. »Ach, und übrigens: Herzlich willkommen bei uns!«
»Ich weiß es zu
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