Ausflug ins Gruene
Sie etwas gefunden haben!«
Regine war noch sichtlich verstört über all die Neuigkeiten, die ich ihr unterbreitet hatte.
»Ich lasse Ihnen das Manuskript hier. Es ist sicherlich eine Erinnerung.« Ich merkte plötzlich, wie peinlich meine Worte klingen mußten. Ich hatte diese Frau gerade mit furchtbaren Tatsachen konfrontiert und faselte jetzt herum wie ein Bestattungsunternehmer. Regine Langensiep saß noch immer versunken in ihrem Sessel.
»Regine, es tut mir so leid, was passiert ist! Kann ich Ihnen irgendwie helfen?«
Sie raffte sich auf. »Nein, es ist schon gut. Ich muß nur erst all das verdauen.« Sie stand auf und lächelte schwach, was ihr das Aussehen einer Göttin verlieh. »Fahren Sie in die Stadt?« Ich nickte. »Dann nehmen Sie mich doch mit! Ich möchte jetzt nicht allein hier sitzen. Ich möchte mich lieber unter Menschen bewegen, unter echten, lebenden Menschen.«
Auf der Fahrt in die Stadt vermieden wir beide das Thema. Die Wunde war zu frisch, um lange darin herumzuwühlen. Regine erzählte kurz von ihrer Arbeit, dann schwieg sie. Ich ließ sie in Ruhe und überlegte mir, daß ich auch nicht allein in meiner Wohnung sitzen wollte. Auch ich wollte unter Menschen sein. Ich parkte mein Auto am Rande des Innenstadtbereichs und schlenderte mit Regine ein Stück durch die Stadt, bis wir plötzlich vor dem Café standen, in dem ich an meinem ersten Tag gelandet war.
»Haben Sie nicht Lust, einen Kaffee mit mir zu trinken?« fragte ich aufmunternd. »Hier gibt es ausge zeichnete Torte!«
Regine lehnte dankend ab. »Ich bummele lieber noch etwas stumm umher.« Sie schaute mich mit einem leicht verhangenen Blick an.
»Ist alles in Ordnung?« Wieder wußte ich nicht, ob ich sie so allein gehen lassen konnte.
»Ich komm schon zurecht.«
»Darf ich noch eine Frage stellen? War Ihr Mann in ärztlicher Behandlung?«
Regine schaute mich verwundert an. »Nicht, daß ich wüßte.« Sie senkte den Kopf. »Aber was wußte ich schon? Sein Hausarzt war Dr. Meiler. Doch dort war er schon seit Monaten nicht mehr. Soviel ich weiß. Ach ja, und einmal war er bei einem Orthopäden. Streichmann heißt der, hier in der Fußgängerzone.« Sie zeigte in Richtung Kirche. »Warum fragen Sie?«
»Ach, schon gut. Wahrscheinlich hat es gar nichts zu bedeuten.« Ich mochte ihr nicht von meinen Schnüffeleien im Arbeitszimmer erzählen.
»Darf ich auch eine Frage stellen?« Regine schaute mich durchdringend an. »Ist es gut? Ich meine das Manuskript.«
Ich wich aus. »Die Geschmäcker sind verschieden. Ich kann da wirklich nicht-«
»Sie sind Germanist. Wie ist es?«
»Um ehrlich zu sein, es ist miserabel.«
Regine wandte sich schon zum Gehen. »Das habe ich mir gedacht.«
Das Café war rappelvoll. Ich hatte Glück, daß gerade ein Platz am Fenster frei wurde. Ich setzte mich so, daß ich hinaussehen konnte.
»Kennst du die Frau auch?« Ich hatte das Mädchen gar nicht bemerkt. Es stand am Fenster und schaute mich mit großen Augen an. Die Tochter von Laura, der Kellnerin.
»Ach, du bist es. Wir kennen uns doch, oder?« Ich war nicht gerade sehr erfahren im Umgang mit Kindern.
»Kennst du die Frau auch?« Das Mädchen, etwa sieben Jahre alt, war von der hartnäckigen Sorte. Ich schaute aus dem Fenster in die Richtung, die sie mir andeutete.
»Ach so, ja, die kenne ich auch. Sie heißt Regine.« Regine war langsam in Richtung Kirche geschlendert.
»Das wußte ich nicht.« Das Mädchen setzte sich an meinen Tisch, als hätten wir uns verabredet. »Aber Onkel Nase, der kennt sie auch.«
Ich lachte. »Onkel Nase, wer ist denn das?«
»Kennst du den nicht? Der arbeitet doch im Kranken haus.«
»Ich war hier noch nicht im Krankenhaus. Deshalb kenne ich ihn nicht. Aber die Frau da draußen, die arbeitet auch im Krankenhaus.«
»Ach so.« Das Mädchen zog seinen Stuhl näher an den Tisch heran. »Deshalb hat sie ihn immer besucht.«
Ich wurde neugierig. »Wer hat wen besucht?«
»Na, diese Frau da«. Meine Tischgenossin wurde etwas ungeduldig mit mir. »Die hat immer den Onkel Nase be sucht. Jeden Tag. Oder fast jeden Tag.«
»Tatsächlich? Woher weißt du denn das?«
»Wir haben doch neben Onkel Nase gewohnt. Wenn ich von meinem Zimmer aus dem Fenster geguckt habe, konnte ich das sehen.«
»Ach so.«
»Lisa, hast du wieder jemanden gefunden, den du vollquatschen kannst?« Laura, die schwarzhaarige Kellnerin, streichelte ihrer Tochter über das Haar. Lisa blickte ihre Mutter böse an.
»Das macht doch
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