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Ausflug ins Gruene

Ausflug ins Gruene

Titel: Ausflug ins Gruene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Heinrichs
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ihrer Mutter. Aufgelegt. Piepen. Der nächste Anrufer. Wieder ihre Mutter. »Alexa, wenn du zu Hause bist, ruf mal bei uns an!« Piepen. »Alexa, wann kommst du denn endlich nach Hause?« Wieder ihre Mutter. »Dir ist doch nichts passiert? In der Praxis haben sie gesagt, du seist schon nach Hause gefahren. Du mußt den Hund holen. Ich liege im Krankenhaus. Keine Angst! Nichts Schlimmes. Ich bin im Garten ausgerutscht und aufs Handgelenk gefallen. Ein komplizierter Bruch, aber es wird schon wieder werden. Es ist nur so, daß Papa jetzt ganz allein daheim ist. Kannst du nicht nach Hause kommen? Mir wäre dann wohler. Du hast doch am Wochenende frei, dann könntest du-« Piepen. Die Stimme ihrer Mutter war abgeschnitten. Alexa stöhnte. Auch das noch. Sie rief zuerst zu Hause an. Dort meldete sich niemand. Kein Wunder. Ihr Vater war bestimmt im Krankenhaus. Dann wählte sie Vincents Nummer. Dort nahm ebenfalls keiner ab. Alexa ließ sich nach hinten auf ihr Sofa fallen und schloß für einen Moment die Augen. Sie zwang sich, nicht einzuschlafen. Dann quälte sie sich hoch und packte ihre Tasche. Es dauerte nicht länger als ein paar Minuten, bis sie alles zusammenhatte. »Na gut«, seufzte sie, während sie die Wohnungstür hinter sich abschloß, »dann mache ich halt einen Ausflug ins Grüne.«

29
    Ich schaute verzweifelt auf mein Brathähnchen. Ob das kleine Tier mein Leid wohl verstand? Mir gegenüber saß Sigrid Paul, die Bibliothekarin, die nach Ansicht der Dreisams demnächst für meine Hemden sorgen sollte. Auf mehrmaliges Nachfragen der Gastgeber schilderte sie in einer Weise, die zeigte, daß sie von ihren eigenen Ausführungen gelangweilt war, wie das neue Speichersystem der Stadtbücherei funktionierte. Ich hatte mein Gehör längst auf Durchzug gestellt und dachte über den »Fall« nach. Ich fragte mich, wie der Täter oder die Täterin es geschafft hatte, Bruno Langensiep am Sonntag morgen eher als gewöhnlich in den Wald zu locken. Ort und Zeit waren für eine normale Verabredung so ungewöhnlich, daß da etwas Besonderes hinterstecken mußte. Langensiep müßte doch skeptisch geworden sein, wenn Feldhausen ihm ein Gespräch über die Verlagsgeschichte morgens im Wald angeboten hätte.
    »Finden Sie nicht auch, Herr Jakobs?« Erschrocken schaute ich hoch. Ich hatte nicht die geringste Ahnung, worauf sich die Frage bezog.
    »Also grundsätzlich würde ich sagen«, ich begann mich zu verhaspeln, »man muß das auf jeden Fall sehr differenziert sehen.«
    Herr Dreisam nickte wohlwollend. Nur Frau Dreisam schien mit meiner Antwort nicht ganz zufrieden. »Also, es ist ja nicht so, als wenn man nicht genug Auswahl hätte.«
    Ob es um das Auswählen von Theaterabonnements ging? Vielleicht sprach man allerdings auch schon über die Wahl des Ehepartners. Ganz allgemein natürlich. Ich schluckte, obwohl mein Hals ganz trocken war.
    Frau Dreisam redete weiter: »In dem Fall, den ich kenne, war es besonders unangenehm, weil die beiden vorher denselben Namen hatten. Ein Bösterling heiratet eine Bösterling. Das ist doch schrecklich. Fast, als würden Geschwister heiraten.«
    »Immerhin waren es ja auch Vetter und Cousine«, warf Herr Dreisam ein.
    Tatsächlich war man beim Thema Ehe, aber eher bei einem etwas exotischen Kapitel, nämlich Ehen zwischen Verwandten zweiten Grades. Weiß der Kuckuck, wie sie darauf gekommen waren! Vielleicht hatte Frau Dreisam von dem ihr bekannten Fall erzählt, um auf Umwegen zu ganz banalen Hochzeiten zu kommen, zum Beispiel zu der zwischen Sigrid und mir?
    »Wenn der erforderliche Gentest in Ordnung ist, gibt es da vom Gesetzgeber überhaupt keine Einwände«, erklärte Herr Dreisam, als wäre er Fachanwalt für solche Angelegenheiten.
    »Liegt bei dieser Ärztin nicht ein ähnlicher Fall vor?« fragte Sigrid beiläufig, »bei dieser Langensiep?«
    Der Wein, den ich gerade im Mund hatte, wäre um ein Haar im hohen Bogen aus mir herausgespritzt. Ich verschluckte mich und kämpfte wild gegen einen plötzlichen Erstickungstod.
    »Regine Langensiep? Meinen Sie die?« Ich konnte es kaum glauben.
    »Ein ganz anderer Fall, ein ganz anderer Fall«, rief Herr Dreisam, und Frau Dreisam plapperte pausenlos dazwischen. »Die waren doch gar nicht verwandt, verwandt waren die doch gar nicht.«
    Ich blickte verunsichert von einem zum anderen. Sigrid saß kleinlaut da, als hätte sie den Fehler ihres Lebens begangen. Die Lage beruhigte sich etwas, als Herr Dreisam sich erklärend an mich wandte:

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